Hartz-Demos: Ein Land, zwei Systeme

In den neuen Bundesländern organisieren meist Privatleute die Hartz-Proteste, weil kaum jemand Gewerkschaften und anderen Vereinigungen traut. Im Westen hingegen funktionieren die alten Strukturen und auch Attac mischt kräftig mit

VON SASCHA TEGTMEIER

Die neuen Montagsdemonstrationen erscheinen unübersichtlich und uneinheitlich. Uneinheitlich, weil die Demos deutschlandweit nicht zentral organisiert werden. Sondern teils von Privatleuten, teils von Bündnissen unterschiedlicher Gruppen.

Alle wollen bei dem neuen Phänomen dabei sein. Zwischen Ost- und Westdeutschland zeichnet sich dabei ein Unterschied in der Organisationsstruktur der Demos ab. Im Osten, wo die Proteste wesentlich erfolgreicher sind, werden Menschen meist von Privatleuten mobilisiert. Im Westen greift man auf Gewerkschaften und Attac zurück.

Mit dieser Uneinheitlichkeit hängt zugleich auch die Unübersichtlichkeit der Proteste zusammen. Symptomatisch ist, dass niemand mit Gewissheit vor dem jeweiligen Montag sagen kann, in wie vielen Städten demonstriert werden wird. Im Vorfeld der gestrigen Demos variierten die Zahl der Proteststädte zwischen 55 und 90.

Am Ursprungsort der neuen Montagsdemonstrationen, Magdeburg, läuft die Organisation über den Privatmann Andreas Ehrholdt. Vergangenen Mittwoch gab es zwar ein erstes Treffen, an dem 70 Verbündete Ehrholdts teilnahmen. Bisher jedoch „ohne Entscheidungen“, so der Initiator. Gewerkschaftler waren zwar dabei, halten sich jedoch zurück. Denn wer sich als zu einer Partei oder einem Verband zugehörig zeigt, wird auf den Demos misstrauisch beäugt und beschimpft.

„Magdeburg ist ein Sonderfall“, sagt Karsten Bretschneider von Attac, der die Montagsdemos in Dresden mitorganisiert. In der sächsischen Landeshauptstadt organisieren neben Attac, Arbeitsloseninitiativen und Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) auch die IG Metall. Stärker als in Magdeburg treten in Dresden die Organisationen hervor: Hier scheuen sich weder Attac noch die Gewerkschaften, ihre Flaggen zu präsentieren.

Im Westen funktionieren die Proteste meist eher wie in Dresden. Der Unterschied zwischen Ost und West zeigt sich an den Beispielen Tübingen und Burg bei Magdeburg. Fabrice Meseberg ist einer von zwei Organisatoren in Burg. Sie planen nach dem Magdeburger Modell. „Wir machen das alleine“, sagt der 24-jährige Meseberg. Lediglich Trillerpfeifen und Ordnerbänder hat die IG Bau für die Demo dazugegeben. In Tübingen dagegen haben sich für die erste Montagsdemo Ver.di, DGB, Attac und ein Arbeitslosenverein zusammengetan. Trotzdem sollen Privatleute die Demo jeweils anmelden, damit keine der Organisationen im Vordergrund steht.

Die Gewerkschaften verfolgen eine Doppelstrategie. Auf Bundesebene befürworten sie den Protest zwar mit der Hoffnung auf „deutliche Korrekturen bei Hartz IV“, wie DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer sagte. Mit Taten halten sich die BundesgewerkschafterInnen jedoch zurück und lassen die regionalen Verbände vorfühlen, wie die Gewerkschaften sich in den Protest einbringen können.

Ehrholdt will nach wie vor die Proteste am 3. Oktober bei einer Großdemonstration in Berlin vereinigen. Doch gerade hier zeigt sich, wie uneinheitlich die Montagsdemonstrationen bisher sind. Im Internet schwirren unterschiedliche Uhrzeiten und Orte zu dem Protest herum. Innerhalb der kommenden Wochen möchte Ehrholdt nun ein Treffen aller deutschlandweiten Organisatoren in Magdeburg: um größere Einheit herzustellen.