Nachhaltiges Nichts

„Zu komplex, zu anspruchsvoll, zu unkonkret“: Warum Themen der Nachhaltigkeit nicht fürs Fernsehen taugen

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein sperriges Wort. Auch wissen bloß wenige damit etwas anzufangen. Umfragen zeigen, dass nur 28 Prozent der Bevölkerung von Nachhaltigkeit schon mal gehört haben. Schuld daran soll das Fernsehen sein, das sich laut einer neuen Studie des Adolf-Grimme-Instituts viel zu wenig mit Themen der ökologischen Verträglichkeit befasst. Wie auch, fragt man sich da, wenn dieses Begriffsungetüm „Nachhaltigkeit“ vielen Programmmachern und Fernsehredakteuren ebenfalls nichts sagt.

Laut Grimme-Studie standen mehr als ein Drittel der angeschriebenen Journalisten nicht für ein Interview zur Verfügung, da sie, wie es heißt, „den Begriff der Nachhaltigkeit nicht kennen, sich mit ihm nicht auseinander setzen wollen oder keine Beziehung zwischen Nachhaltigkeit und Fernsehen herstellen können“. So kamen nur 17 Gespräche zustande, in denen die Redakteure danach befragt wurden, ob in ihren Sendungen das Prinzip Nachhaltigkeit eine Rolle spiele.

Zu anspruchsvoll

Dabei zeigte sich, dass die Programmmacher zwar viel vom „Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung“ halten und es auch befürworten. Doch dem gemeinen Zuschauer wollen sie das nicht antun. Die meisten Befragten lehnen den Begriff als „zu komplex, zu anspruchsvoll, zu unkonkret und schwierig vermittelbar“ ab. Otto Normalglotzer ist dafür zu einfältig. Wird es ihm zu abstrakt, schaltet er ab oder um.

Glotze recyceln?

Die Medienforscher wollten es genau wissen und zappten sich in zwei Dutzend Umwelt-, Wissenschafts- und Lifestyle-Magazine sowie Nachrichtensendungen und Talkshows. Nur für eine Sendung gab es großes Lob: im WDR-Wissenschaftsmagazin „Q21“ thematisierte man „umfassend Nachhaltigkeitsaspekte“, die Moderation sei „flott, wortgewandt und auch für ein jüngeres Publikum geeignet“. Ansätze zur Vermittlung von Nachhaltigkeit gebe es zudem in Umweltsendungen wie „ZDF.umwelt“ und „Unkraut“ (BR). Bei Letzterem sei sogar der Begriff einmal aufgetaucht. Kein Wunder, assoziieren doch deutsche Bescheidwisser Nachhaltigkeit vor allem mit dem Umweltschutz. Dagegen in Sendungen der Privaten wie „Galileo“, „Spiegel TV“, „Stern TV“ oder „Voxtours“: Fehlanzeige. Über die N-Frage war dort nichts zu vernehmen.

Was ist also zu tun? Vielleicht die Glotze recyceln und mehr lesen. In dieser Zeitung zum Beispiel haben Autoren das Wörtchen Nachhaltigkeit schon in mehr als 800 Beiträgen in die Tasten gehauen, knapp 100-mal gar in die Überschrift. taz-Leser wissen offenbar mehr. Schön und gut. Doch was genau bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit?

TIM BARTELS