„Geliebter Freund“

Seinen Kenntnisstand über die Erpressung von Homosexuellen fasste der Arzt Magnus Hirschfeld, damals Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft in Berlin, vor knapp neunzig Jahren in seinem Buch „Die Homosexualität des Mannes und des Weibes“ zusammen (Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin 1914).

Den Erpresserbrief nennt Hirschfeld das beliebteste Mittel, Geldforderungen gegen enttarnte „Urninge“ durchzusetzen. Forderungen von ausgesuchter Unverschämtheit waren oft in zärtlichste Anrede gekleidet. Ein Brief, in dem ein „mordsmäßiger“ Skandal vom Erpresser in Aussicht gestellt wird, falls nicht „blaue Lappen“ geschickt werden, ist überschrieben mit „Geliebter Freund“ und gezeichnet „mit tausend Küssen von deinem süßen Heini“.

Wer aus Angst vor Rufschädigung auf die Forderungen der „Rupfer“ einging, hatte meist keineswegs seine Ruhe. Willige Zahler wurden oft ein Leben lang ausgenommen. Das Erpressergeschäft war eine lukrative Angelegenheit. So sollen sich einige Pariser „Rupins“ ein Vermögen zusammengerafft haben, welches ihnen, so Hirschfeld, „gestattete, nach Niederlegung ihres Geschäftes als Rentiers auf ihren Lorbeeren zu ruhen in Villen vor Paris, denen weder Gartensalon noch Bibliothek fehlte“.

Zitate aus Erpresserbriefen jener Jahre: „Hierdurch teilen wir dir mit, daß du dem Boten 20 Mark geben sollst. Wenn die Boten nicht in 5 Minuten mit dem Gelde unten sind, kommen 6 scharfe Luden herauf mit Revolvern bewaffnet und übergeben Dir der Sittenpolizei (...). Achtungsvoll, sechs Mitglieder der schwarzen Hand.“

„Lieber Freund! Ich nehme Dir Deine sämtlichen Goldsachen, auf deutsch: ich stehle sie Dir, worüber Du gewiß nicht sehr erfreut sein wirst. Das tut aber nichts: ich habe Geld nötig und Du kannst die Sachen entbehren. Willst Du mich nun anzeigen, so steht es ganz bei Dir, ob Du Dich blamieren willst. (…) Ich will Dir nur sagen, daß Du diesmal einem Preller in die Hände gefallen bist.“

Räumen Sie baldigst das Feld; D. ist genau über Sie unterrichtet.“ (Ein Arzt an seinen Konkurrenten, der daraufhin seine Praxis aufgab.)

„Wenn Sie nicht wollen, brauchen Sie mir die 50 Mark nicht zu geben; ich zeige Sie nicht an, ich bin kein Erpresser. Aber meine Faust (…) werden Sie zu spüren bekommen.“

„Gnädige Frau es tut mir ser leid, ihnen mitzuteilen, daß Ihr Sohn mich geschändet hat. Als ich im November hier in W. außer Arbeit war und keine Wohnung hatte, nam mich ihr Sohn mit nach Hauß zum schlafen. Als wir dann im Bette waren, hat er mich dermaßen genotzüchtigt, daß ich jetzt noch kränklich bin. Ich habe seit dieser Zeit Schmerzen und kann nicht Arbeiten. (…) Mein Vater wird die Sache anzeigen, wenn ich nicht dafür entschädigt werde, was ich versäumt an Arbeit und Doktor. Es ist besser so, als wie am Gericht, wo es vielleicht eine böse Sache werden kann. (…) Gnädige Frau. Es grüßt Sie N.A. Bitte Antwort.“

„Ich will Sie ganz sicher nicht ausziehen, wenn ich das wollte, könnte ich ja noch einen anderen Posten hervorbringen, den mit dem Burschen bei der Schießübung – ich will es aber nicht in Erwähnung bringen, damit Sie nicht denken, ich will Sie ausziehen.“ ZUSAMMENGESTELLT VON

CLAUDIA LEHNEN