Harry soll 50 werden

Originelle Hilfe für ein Original: In St. Pauli engagiert sich eine Initiative für den „Hafenbasar“. Dem fast vergessenen Kultladen fehlen KundInnen

356.249 Masken, ausgestopfte Tiere oder Skulpturen gilt es zu retten

von LASSE HINRICHS

Die grinsende Affenfigur im hinteren Gang des Geschäfts mag so lange ein optimistisches „Alles Palletti“ fingerzeigen, wie sie lustig ist. Die Inhaberin von „Harry‘s Hafenbasar“, Karin Rosenberg, weiß es betrüblicherweise besser: Was ihr fehlt, sind BesucherInnen. Nur eine Hand voll Gäste verirren sich pro Tag in den bis unter die Decke mit Seefahrermitbringseln vollgestopften Kuriositätenladen am Strumpfband von Hamburgs dröhnender Verlustiermeile. Auch Tatjana Festerling war darunter. Sie kam, sah, und verliebte sich in den Laden.

„Wir leisten im Prinzip Nachbarschaftshilfe“, sagt die Chefin einer Marketing-Agentur aus St. Pauli, wenn sie von der massiven Be-Werbungsaktion spricht, an der die eigens dafür gegründete Bürgerinitiative „Unterstützerteam Harry‘s Hafenbasar“ gerade arbeitet. Die Aktivisten, fast alles Ur-St.-Paulianer, sind angetan von dem Panoptikum aus Kunst und Kitsch. Ihre Hilfe sei elementar, seitdem der letzte Standortwechsel in die Erichstraße 56 für den Traditionsladen fast einem Umzug in die Bedeutungslosigkeit gleichkam.

Wie aber 356.249 Masken, ausgestopfte Tiere, Skulpturen, Schnitzereien, Schmuck und Bücher vermarkten? Mit einem lokalen Informationsnetzwerk, erklärt Festerling. Zuvörderst sollen Flyer in Theatern und Veranstaltungshäusern auf die Existenz des Lädchens hinweisen. Unter anderem mit Schmidts‘ Tivoli sei bereits eine Kooperation beim Kartenverkauf vereinbart worden. Dazu könnten Fotografien in sämtlichen Schaufenstern entlang der Reeperbahn ständige Werbebanner sein. Ein Ausstellungskonzept befinde sich schon in Arbeit.

Und natürlich das Internet: „Auf Hochtouren“, sagt Festerling, werde gerade eine neue Website gestaltet, in freundlicheren Farben als die alte, übersichtlich, als Forum für ExpertInnen, SammlerInnen und gänzlich Uninformierte. Mitte Oktober soll sie fertig sein.

Rosenberg ist schon jetzt überwältigt von der spontanen, für sie kostenlosen Hilfsaktion. „Ich befinde mich momentan an einem Wendepunkt“, sagt die Tochter des Geschäftsgründers, an einem finanziellen. Die Renovierung habe viel Geld verschlungen, verschiedene Sanierungsarbeiten waren nötig, eine Heizung musste her und auch ein Notausgang. Rosenberg war gezwungen, einen Kredit aufnehmen. Mithin überlebe der Laden nur noch durch den Ausverkauf der guten Stücke auf Internetbörsen. Wohl fühle sie sich dabei jedoch nicht.

Schuld daran seien auch bestimmte Medien, so Rosenberg. Als vor zwei Jahren ihr Vater starb, hätten die Schlagzeilen sinngemäß gelautet: Harry tot – Laden tot. Gehöriger Unfug sei das gewesen, ärgert sich die Tochter. Spätestens wenn im nächsten Jahr „Harry‘s Hafenbasar“ seinen 50. feiert, soll deshalb die falsche Gleichung korrigiert sein.

Harry‘s Hafenbasar, Erichstr. 56, Unterstützerteam c/o Tatjana Festerling, ☎ 35 71 54 34