Dohnanyi nicht ins Schubfach

Der Hochschulhaushalt soll ab 2006 wieder wachsen, dafür wirbt Wissenschaftssenator Jörg Dräger. Zum Etat zählt auch der 800 Millionen Euro-Laser von Desy. Absolventen fehlen nur jenseits des Speckgürtels. Schülerberg 2010 soll sich verteilen

Interview: KAIJA KUTTER

taz: Sie planen bis 2009 einen Abbau von 15 Prozent der Studienplätze. Haben Sie dabei bedacht, dass in Hamburg die Abiturientenzahl geburtenbedingt steigt und wir 2010 sogar eine Verdopplung haben, weil das Abitur nach zwölf Jahren gleichzeitig mit dem letzten 13-jährigen endet?

Jörg Dräger: Hamburg stellt heute sehr viel mehr Studienplätze bereit, als wir Studierwillige haben. Dies wird auch künftig so sein.

Aber bei einem Numerus clausus von 1,4 für Germanistik oder 1,3 für Biologie haben unsere Schüler kaum eine Chance.

Wir haben eben keine Landeskinderklausel. Es zählt die Qualifikation und nicht der Wohnort.

Auch nicht 2010, wenn der erste 12-jährige Abi-Jahrgang endet? Oder 2012, wenn Niedersachsen folgt? Haben Sie das mit dem Bildungssenator besprochen?

Gesprochen haben wir darüber. Es kommt in Hamburg zu einer Häufung. Über die Bundesrepublik verteilt sich der Effekt.

Trotzdem sagen Sie, Hamburg brauche mehr Studierende.

Da muss ich ausholen. Wir hatten hier eine unterfinanzierte Hochschullandschaft vorgefunden. Über zwei Legislaturperioden sank der Etat um 15 Prozent. Beim Bundesvergleich stand Hamburg an letzter Stelle. Da war es – nachdem es uns gelungen ist, den Hochschuletat zu stabilisieren und sogar leicht zu erhöhen – der einzig richtige Weg, den Fokus auf die Qualität zu legen und die Studienbedingungen zu verbessern. Wir senken die Kapazität ab, um die Qualität zu verbessern.

Und haben ab 2012 zu wenig Absolventen für die Metropolregion, wie Sie jetzt erklären.

Ich muss erst einmal betonen: Wir werden jetzt dank dieser Qualitätsverbesserung die Absolventenzahl um 15 Prozent steigern. Trotzdem muss eine „wachsende Stadt“ auch als Hochschulstandort wachsen.

Ihre Rede enthielt eine Warnung, die Sie vorher nicht geäußert haben. Dass es Probleme gibt, den Absolventenbedarf der Region zu befriedigen.

Streng genommen bekommen wir den Metropolzuschlag dafür, dass wir genügend Studienplätze anbieten. Das tun wir. Nun betrachten wir alle – das ist nicht nur ein Hamburger Phänomen – die Absolventen. Insofern ist es berechtigt, zu fragen, haben wir genügend Absolventen für die Metropolregion? Das haben wir nicht.

Dann irrte die Dohnanyi-Kommission. Die ging davon aus, das 6.700 Absolventen reichen.

Es reicht im Umland, weil wir in dieser Region einige Hochschulen haben. Aber wenn wir eine überregionale Bedeutung haben, dann haben wir auch jenseits des Umlandes eine Verantwortung. Wenn wir tatsächlich die Strahlkraft einer wirklichen Metropole haben wollen, dann muss man sich politisch entscheiden, die Finanzen für Wachstum aufzubringen. Die Dohnanyi-Kommission kam zu dem Schluss: Das kann man von einem Stadtstaat, der dafür nicht bezahlt wird, nicht verlangen.

Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es trotzdem lohnend ist.

Die Diskussion führe ich jetzt. Ich werbe dafür. Das heißt aber überhaupt nicht, „Dohnanyi in die Schublade“. Nur wenn es gelingt, durch Umgewichtung einen größeren Haushaltskorridor zu bekommen, werden wir wieder wachsen.

Wo wären Umschichtungen überhaupt denkbar?

Es ist weder weise noch angemessen, jetzt auf Kosten meiner Kollegen Prognosen abzugeben. Aber wir müssen sehen, ob es uns gelingt, wieder in die Zukunft zu investieren und nicht immer nur zu versuchen, Altlasten abzufedern. Jemand wie Hans-Olaf Henkel kann einfach sagen ‘räubert das Sozialsystem zu Gunsten der Kinder‘. Ich finde es richtig zu sagen: Wir müssen eine Politik machen, die nicht nur die Wähler heute berücksichtigt, sondern auch deren Kinder.

Die Absenkung ist bis 2009 geplant. Ab wann könnte es wieder mehr Studienplätze geben?

Das Ziel ist, für den Haushalt 2006 ein Wachstumsprogramm anzustreben. Das muss sich nicht in 2006 in Studienplätzen ausdrücken. Wir wollen in 2006 oder 2007 den freien Elektronenlaser am Desy bauen. Das ist eine gigantische Investition von insgesamt 800 Millionen Euro, wofür Hamburg einen Beitrag leisten muss. Trotzdem müssen wir auch bei den Absolventen jenseits der heute geplanten 15 Prozent an Wachstum denken. Und wenn es uns gelänge, die Absolventenzahl über zehn Jahre auf 8.000 oder 9.000 zu steigern, halte ich das für angemessen.

Denken Sie an Gebühren?

Ich halte es für den falschen Weg, den quantitativen Ausbau über Gebühren zu finanzieren. Gebühren sollten die Qualität des Studiums verbessern.

Gerade erst wurden 13.000 Bewerber von der Uni abgelehnt. Was raten Sie denen?

Bewerben Sie sich auf Studienplätze an weniger beliebten Studienorten.