Zu Sprache kommen

Gegen das Gerede um die Rechtschreibreform, für eine großzügige Sprachidentität: Die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz fordert in einem Manifest Österreichisch als eigene Sprache. In diesem Text erläutert sie, warum

Im Sommerloch. Jedes Jahr. Da werden die eigentlichen Nöte zur Sprache gebracht. Im vorigen Jahr waren es die Ängste der Männer im Feuilleton der FAZ, dass die Frauen es ihnen in den Medien aus der Hand winden. Heuer wirft sich alles gegen die drohende Rechtschreibung in den Sturm. Reich-Ranicki schnippt und alle Autoren und Autorinnen wollen Tollpatsch das zweite l wieder nehmen und nur noch kleinschreiben, dass es ihnen Leid tut.

Eine Debatte in Deutschland. Irrational. Irgendeine Form von Ekel wird da ausgedrückt. An der Rechtschreibung. Ist das gegen Vor-Schriften allgemein. Ist das ein Armdrücken Medien gegen Politik. Kommt das aus dem bizarren Konstrukt Alltagsverstand und möchte nur lesen, wie bei einem Thomas Mann Text ausgesehen hat. Beim ersten Lesen. Ein Fetisch. Der hätte wiederum mit dem Mutterbild zu tun. Aber so tief verborgen, dass es den Verlangern nach Altem und Unverändertem nicht klar werden will. Und dann sind da noch die Reformen davor. Wie steht es damit. Oder ist das Wort „Reform“ als neoliberale Hülse für Niedermachen und Outsourcen so umfassend missbrauchbar, dass das auratische Feuilleton Ministerpräsidenten mitreißen kann. Im Kampf gegen die Reform als Vorschrift. Wird dieses Beispiel Schule machen und damit die Schule nicht mehr erreichen. Und was ist mit den armen Lämmern, die reformiert schreiben können und ab nächstem Jahr dann müssen. Glaubenskriege sind das. Und wie Glaubenskriege immer schöne Möglichkeiten, die Macht neu zu behaupten und zu formieren. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Hier. In Österreich. Da wird mitdiskutiert. Da wird mitunterschrieben Auf den Reich-Ranicki’schen Listen. Da werden absurde Koalitionen eingegangen. Linke AutorInnen auf rechten Feuilletonseiten. Tja. Als poetische Intervention schlage ich da den Ausstieg aus dem Deutschen vor. Österreichisch ist eine eigene Sprache. Und sollte sich so auch selbst behandeln. Das würde eine Erweiterung der Identitäten ergeben. Das würde für die Minderheitensprachen in Österreich die entsprechenden Übersetzungen ergeben. Das würde für das nun vorgeschriebene Deutschlernen von Migranten und Migrantinnen bedeuten, dass sie die Sprache lernen, die sie dann auch sprechen müssen. Vielfalt also. Ein großzügiger Umgang mit der Sprechidentität. Verstehen würden wir einander ja noch lange. Im österreichischen Wörterbuch wären dann die Germanismen verzeichnet und nicht wie jetzt im deutschen Duden nur die Austriazismen. Wie gesagt. Vielfalt und die Nähe zum Sprachgebrauch. Das wäre ein Vorteil für nicht bildungsprivilegierte Schichten. Zu Sprache kommen und dann auch sprechen können.

Der EU gegenüber hat Österreich bisher 23 Vokabeln als österreichisch eintragen lassen. Eine Speisekartenlänge ist das. Pfifferling wird als Eierschwammerl übersetzt. Und alle möglichen Fleischsorten. Mager.

Die Regierung ist natürlich dagegen. Der Bildungssprecher der ÖVP sieht keine Notwendigkeit für Österreichisch als Staatssprache. Ein wunderbarer Widerspruch ist das. Ein Staat ohne Sprache. Zwar sollte man oder frau Schulterschlüsse gegen das böse Ausland schließen, aber das in der Sprache dieses Auslands. Ich denke, das alles kommt aus einer Abwehr dieses Österreichischen. Ich denke, dass alle insgeheim annehmen, dass in diesem Österreichisch das Allerschlimmste verborgen ist und dass das in einer Diskussion zum Vorschein kommen wird. Dass vermutet wird, dass im Österreichischen das Nazidenken zu Hause ist und dass man das nicht zugeben muss, solange man das dann Deutsch nennt. Einmal tritt also die Rechte internationalistisch auf. Quasiinternationalistisch. Haider sieht sich ja ohnehin als der eigentliche Bewahrer des Deutschen an. Des durch keine Schuldeinbekenntnisse reineren Deutschen. Österreichisch ist also vor der Rechten gefeit.

Im Gegenteil. Wenn etwas das Besprechen von Geschichte verhindert hat, dann waren es diese verschiedenen Laden von Deutsch und Österreichisch. Und immer konnten die Inhalte zwischen diesen Laden hin- und hergeschoben werden. Verschoben. Versteckt. Um der hiesigen Verdrängungsbrutalität hinter der hiesigen Harmoniesehnsucht zur Erfüllung zu verhelfen.

Und sonst. Es wäre sozialer. Es wäre vielfältiger. Es wäre politischer. Und es ist eine Intervention. Um aus dieser biestigen, aufgeladenen Rechtschreibreform herauszukommen. Die erledigt doch der Computer.

MARLENE STREERUWITZ