Massive Kompetenzverluste

2002 hat Kultursenatorin Dana Horáková dem Frauenmusikzentrum (fm:z) die finanzielle Unterstützung entzogen. Geschlechtsspezifische Förderung sei nicht mehr zeitgemäß, fand sie. Das fm:z existiert zwar weiter. Aber auf Sparflamme

„Der Weg zur wirklichen Gleichberechtigung in der Musikbranche ist noch weit“

von Doro Wiese

Unbeeindruckt von der Präsenz zweier Journalistinnen, die sich die Türklinke in die Hand geben, sitzt Steph Klinkenborg auf dem Sofa. Neben ihr liegen Posterrollen, CDs und Postkarten, auf dem Tisch sind Getränke aufgefahren. Einen Augenblick braucht die ehemalige PR-Frau des Frauenmusikzentrums, um sich auf den neuen, retrospektiven Gesprächsgegenstand einzustellen, von den augenblicklichen Anforderungen zur Geschichte des fm:z überzuleiten.

Denn vordringliches Thema ist derzeit „Sistars“, eine bundesweite Workshop-Reihe, in der Mädchenbands sich coachen lassen: Am 9.9. ist Bewerbungsschluss und bis dahin muss Einiges getan werden. ,,Sistars wird vom Bund finanziert“, sagt Steph Klinkenborg. „Aber das Konzept haben wir geplant und entwickelt, als das fm:z noch institutionelle Förderung bekam. Ansonsten hätten wir Sistars nie aufbauen können, dafür hätten Zeit und Ressourcen gefehlt.“

Nachdem das fm:z sich während seines 15-jährigen Bestehens kontinuierlich weiterentwickelt hatte, strich die Kulturbehörde im August 2002 vorwarnungs- und fristlos die institutionelle Förderung. „Dabei waren wir zu diesem Zeitpunkt so erfolgreich wie nie“, erinnert sich Klinkenborg. „Wir sind von 1997 an ungeheuer gewachsen. Damals hatten wir erstmalig ein großes Konzert in der Fabrik organisiert, das zu unserer Überraschung in Windeseile ausverkauft war. Und von da an wussten wir, dass wir auch größere Veranstaltungen erfolgreich über die Bühne bringen können, dass wir kleine Bühnen bespielen, aber auch die Stadt rocken können.“ Durch das neu entstandene Musikfestival espressiva konnten Musikerinnen Kontakte zu Labels knüpfen und Netzwerke bilden. Theorieorientierte Veranstaltungen ermöglichten Reflektion über den Musikgenuss hinaus.

All das musste durch die Kürzungen wegfallen: „Uns wurde gesagt, dass wir so erfolgreich seien, dass wir es nun selbst schaffen sollten. Dabei lebte das fm:z schon damals vom politischen Engagement von Frauen, die über ihre bezahlte Stundenzahl hinaus das Projekt am Laufen hielten. Es spricht für fehlende Wertschätzung, wenn diese Arbeit nicht mehr professionell, sondern hobbymäßig geleistet werden muss.“

Glücklicherweise hatte sich das fm:z in seinen Gründungsjahren ein Haus erkämpft, so dass die Räumlichkeiten erhalten blieben. Durch die Beiträge von Mitgliedern wird die Miete bezahlt. Doch die Streichungen gehen auf Kosten der Professionalität. „Jetzt kann natürlich nur noch das stattfinden, was Frauen über ihre Lohnarbeit hinaus noch leisten können.“ Dass es im Augenblick an jeder Ecke und Kante fehlt, merkt Klinkenborg in Arbeit und Privatleben. „Mit der Streichung von Frauenprojekten fallen Kompetenzen und Wissen weg. An Aufbauarbeit ist so gar nicht zu denken, wenn wir nur für den Erhalt von Institutionen kämpfen müssen.“

Dabei ist der Weg zu Geschlechtergerechtigkeit auch im Musikbusiness noch weit: ,,Frauen werden dort immer noch primär als Frauen und nicht als Musikerinnen gesehen. Eine Selbstverständlichkeit von Musikerinnen und Musikexpertinnen, sei es vor oder hinter der Bühne, als Technikerinnen, Musizierende oder Journalistinnen, ist bei weitem nicht gegeben.“

Gerade das war jedoch der Startpunkt für das fm:z. „Wir sind aus der Frauenmusikbewegung entstanden, die sich Räume verschaffen wollte, um einen eigenen Ausdruck zu finden und eine Bühne zu haben. Sie wollte sich mit den Beschränkungen auseinander setzen, anderes ausprobieren und an den Machtverhältnissen rütteln.“ Klinkenborg ist überzeugt, dass diese Arbeit Früchte getragen hat: „Es gibt heutzutage viele junge Frauen, die auf der Bühne nicht nur tanzen und singen, sondern auch Instrumente spielen, komponieren und produzieren. Und es gibt mehr Frauen, die als DJs oder Komponistinnen wahrgenommen werden.“ Trotzdem beläuft sich laut Umfragen der Frauenanteil in der Popmusik auf 4,9%. „Dass Frauen nicht mehr das Andere sind, bis dahin ist der Weg noch weit.“ Doch Frauen und Mädchen werden diesen Weg ohne städtische Hilfe beschreiten müssen. Die geschlechtsspezifische Förderung erschien Kultursenatorin Dana Horáková „nicht mehr zeitgemäß“.