Deutsche Lehrer Weltspitze

Nirgends sind die Pädagogen so alt wie in Deutschland, sagt eine Studie der OECD. Das schwache Wirtschaftswachstum gibt es, weil in den letzten Jahren für die Bildung zu wenig getan wurde

BERLIN dpa/epd/taz ■ Die geringe Zahl von Abiturienten und Hochschulabsolventen wirkt sich inzwischen negativ auf das Wachstum in Deutschland aus. Die neueste OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ kommt zu dem Schluss: Die aktuelle Wirtschaftsschwäche ist darin begründet, dass die Bundesrepublik in den vergangenen zwei Jahrzehnten den Bildungsstand ihrer Erwerbsbevölkerung nicht steigern konnte. In anderen Industrienationen ist dies der Fall, berichtete Andreas Schleicher, der Leiter der Bildungsstatistik der Organisation für Entwickung und Zusammenarbeit, gestern in Berlin.

Der zweite gravierende Befund des Vergleichs der Bildungssituation in 26 Industrienationen: Nirgendwo sind die Lehrer in den Klassenzimmern bis zur Zehnten so alt wie in Deutschland. In keinem anderen Land unterrichten etwa an Grundschulen so viele 50- bis 59-Jährige wie in Deutschland (39,1 Prozent). Auch in der Sekundarstufe sind Fiftysomethings unter den Pädagogen klar in der Mehrheit (44 Prozent). Junglehrer unter 30 Jahren finden sich nur zu 10 Prozent in den Schulen bis zur zehnten Klasse.

Andreas Schleicher, der auch die Pisa-Studie leitete, sagte beinahe resigniert über den Bildungszuwachs: „In Deutschland ist in den 80er- und 90er-Jahren wenig passiert.“ Die Zahl der Studenten ist im Durchschnitt der OECD-Länder allein seit 1995 um über 30 Prozent gestiegen. Lediglich in Deutschland und Frankreich hat es dagegen einen leichten Rückgang gegeben. Im Schnitt schließen 30 Prozent eines Jahrganges in den OECD-Ländern ein Studium ab – in der Bundesrepublik sind es dagegen nur 19 Prozent.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Hessens Schulministerin Karin Wolff (CDU), lehnte es in einer ersten Reaktion ab, sich an einer Debatte über eine höhere Abiturientenquote zu beteiligen. Es gebe in Deutschland einen „schützenswerten Mix“ von Abitur und Lehre. Ziel sei es, in allen Bereichen „Begabungsreserven so weit als möglich auszuschöpfen“, etwa durch eine bessere Bildung der Migrantenkinder.

Allerdings scheint auch der Wolff’sche Mix nicht durchgehend zu funktionieren. Selbst wenn man berücksichtigt, dass ein Teil des deutschen Fachkräftenachwuchses über eine betriebliche Lehre ausgebildet wird, gerät die Bundesrepublik auch hier langsam ins Abseits. Rechnet man Abiturienten und Absolventen einer Lehre zusammen, so ist Deutschland in seiner früheren „Bildungsdomäne“ Sekundar-II-Abschluss in der wichtigen Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen inzwischen vom 4. auf den 12. Platz abgestürzt. Andere Länder haben kräftig zugelegt – während in Deutschland die Bildungsbeteiligung stagniert und hohe Abbrecherzahlen in Schule und Lehre die Bilanz belasten. CIF

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