Dokumente der Grausamkeit

Unter Einsatz ihres Lebens sammelte die Gruppe „Oneg Schabbat“ im Warschauer Ghetto Beweise für die Vernichtung des jüdischen Volkes. Ab Sonntag ist das Untergrundarchiv erstmals in Köln zu sehen

VON DIRK ECKERT

„Oneg Schabbat“, das war im Warschauer Ghetto zur Zeit der deutschen Besatzung der Name einer ganz besonderen Widerstandsgruppe: Unter Lebensgefahr dokumentierten Lehrer, Geistliche, Schriftsteller und Sozialarbeiter den Alltag im Ghetto und die deutschen Verbrechen. Sie sammelten alles, von Lebensmittelkarten bis zu offiziellen Bekanntmachungen. Die Arbeit unter Leitung des Historikers Emanuel Ringelblum war die Grundlage für Berichte, mit denen die Alliierten auf die Vernichtung des jüdischen Volkes aufmerksam gemacht wurden.

Ringelblum überlebte wie die meisten seiner rund 50 Mitarbeiter den Holocaust nicht. Allerdings gelang es ihnen, das Archiv in drei Teilen zu verstecken. Zwei von ihnen wurden nach dem Krieg geborgen. Heute lagern im Jüdisch-Historischen Institut in Warschau 1.692 Akteneinheiten, dazu Aquarelle, Handzeichnungen und Fotografien. Die Sammlung ist so einzigartig, dass die UNESCO sie auf die Liste „Memory of the World“ setzte.

Eine Auswahl aus dem Untergrundarchiv hat die von Volkshochschulen und Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) getragene Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit und Leben zu einer eindrucksvollen Wanderausstellung zusammengestellt. Ab Sonntag ist sie zum ersten Mal in Köln zu sehen.

In den Zeugnissen könne man erfassen, „wie einmalig, wie unfassbar und wie unmenschlich und grausam der Nationalsozialismus war“, sagte Wolfgang Uellenberg-van Dawen, der Vorsitzende des DGB Köln bei der gestrigen Präsentation der Ausstellung. Und, so der promovierte Historiker weiter: Sie verdeutlichten das Wesen des Nationalsozialismus – die Verfolgung und Vernichtung der Menschen jüdischer Herkunft.

Uellenberg-van Dawen war es auch, der Oneg Schabbat nach Köln geholt hat. Zu den Veranstaltern gehört in Köln neben dem DGB, dem NS-Dokumentationszentrum und der Synagogen-Gemeinde die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Deren Vorsitzender Jürgen Wilhelm erhofft sich von der Ausstellung Hilfe bei der Aufklärung, „um bereits den Anfängen zu wehren“. „Die Ausstellung zeigt die Methoden und Auswirkungen des deutschen Rassismus mit aller Deutlichkeit“, so Wilhelm. Besonders bewegt hat ihn ein Dokument aus dem Jahr 1942, das die Ausstellung zeigt: eine Liste mit deutschen Gräueltaten, „mit geradezu erschütternder Sachlichkeit“ angefertigt.

Wilhelm hofft, vor allem Schülerinnen und Schülern das Thema Nationalsozialismus näher bringen zu können. Oft hätten auch Lehrer zu wenig Kenntnisse, mit der Folge, dass das Thema in Schulen oftmals „zu dürftig“ vermittelt werde, kritisiert er.

Zu Eröffnung am kommenden Sonntag um 18 Uhr im EL-DE-Haus wird prominenter Besuch aus Polen erwartet: Wladyslaw Bartoszewski, ehemaliger polnischer Außenminister und Mitglied des polnischen Widerstands, spricht über „Das Warschauer Ghetto – wie es wirklich war“.

„Oneg Schabbat“: EL-DE-Haus (Appellhofplatz 23-25), 29.8. bis 26.9., Di-Fr 10-16 Uhr, Sa/So 11-16 Uhr, 3,60 (1,50) Euro, Infos: www.oneg-schabbat.info und 221-263 31