„Die EU-Staaten müssen für Mobilität zahlen“

Der EU-Spitzenbeamte Nikolaus van der Pas über mickrige Auslandsstipendien und Qualitätsmessungen in der Hochschulausbildung

taz: Herr van der Pas, Europas Bildungsminister treffen sich heute, um das Studieren quer durch Europa zu ermöglich. Die dazugehörigen Bologna-Beschlüsse fielen schon 1999. Ist der Plan einzuhalten, bis 2010 einen gemeinsamen Hochschulraum zu schaffen?

Nikolaus van der Pas: Mobilität ist schon jetzt Teil der Europa-Programme. Der Studentenaustausch über das Studienstipendium Erasmus etwa funktioniert sehr gut. Wir haben bereits eine Million Stipendien vergeben.

Ist das nicht Schönfärberei? Gerade 2,3 Prozent der europäischen Studierenden gehen ins Ausland.

Deswegen wollen wir den Austausch noch verstärken. Für das Jahr 2010 strebt die Kommission eine Verdreifachung der Studentenzahlen an. Die Studierenden sollen nicht nur in ein Land gehen, sondern in zwei oder drei Länder – am Ende steht dann ein European Master. Für Universitäten muss es eine Pflichtübung werden, einen solchen Abschluss anzubieten.

Da muss viel passieren. Die Einführung von Bachelor und Master hat eine verwirrende Vielfalt produziert.

Die Hochschulen sollten bei der Zusammenstellung ihrer Curricula besser kooperieren.

Bisher können sich viele Studis einen Europatrip gar nicht leisten. Haben die Minister den sozialen Aspekt vergessen?

Die Kommission hat in einer Studie fragen lassen: Erreicht Erasmus wirklich Studenten aus allen Schichten? Die Untersuchung zeigt: Es ist keineswegs so, dass nur Kinder aus reichen Familien im Ausland studieren.

Studentenverbände sehen das anders. Sie verlangen ein europäisches Bafög.

Über die Höhe der Stipendien sollten sich die Mitgliedstaaten Gedanken machen. Im Moment fallen die Erasmus-Zuschüsse ziemlich bescheiden aus, und sie sind zudem je nach Land unterschiedlich.

Wie wollen Sie die Mitgliedstaaten animieren, mehr Geld für die Universitäten auszugeben?

Die Mitgliedstaaten wollen sich von Brüssel in ihre Bildungspolitik nicht reinreden lassen. Zu sagen, wir wollen Mobilität, sind aber nicht bereit, dafür zu bezahlen, wäre ein großer Fehler.

Mit der Freiwilligkeit ist das so eine Sache. Bei Bachelor und Master wollen sich Länder wie Deutschland gar nicht auf ein Datum einlassen.

Das stimmt, bislang ist die europäische Politik noch äußerst vorsichtig. Spätestens aber wenn sich Bachelor und Master etabliert haben, stellt sich die Frage anders. Es wird zu einer Konvergenz im Bildungssystem führen, der Markt wird sie annehmen – und die Universitäten.

Wollen Sie das allein den Universitäten überlassen?

Wir können den Universitäten nicht vorschreiben, was sie lehren sollen. Das wäre das Ende der unabhängigen Wissenschaft. Wir wollen einen anderen Weg gehen: Die Qualität der Hochschulen messen. Was kann ein Student, wenn er die Uni verlässt?

Wie wollen Sie das kontrollieren?

Diese Aufgabe sollte nationalen Instituten übertragen werden, die in einer ständigen Konferenz kooperieren. Dann würde schnell deutlich, wer welche Qualität liefert.

Dazu müssten sich die Länder zunächst auf Qualitätsstandards verständigen.

In Berlin wird das Thema „Qualitätssicherung“ zum ersten Mal explizit in die Erklärung der Minister aufgenommen, das hoffen wir jedenfalls. Es geht darum, der Enqa, einer Qualitätsorganisation, das Mandat zu übertragen, entsprechende Qualitätskriterien zu erarbeiten. Die Kommission beteiligt sich übrigens an der Finanzierung der Enqa.

INTERVIEW: NICOLE MASCHLER,
NICOLE ALEXANDER