Langer Marsch gegen Hartz

Viele Demonstranten fühlen sich von der Teilnahme der maoistischen MLPD an den Montagsdemos gestört. Die Partei streitet jeglichen Führungsanspruch ab. Was steckt wirklich dahinter?

VON HOLGER PAULER

Auf der Suche nach den revolutionären Massen kommt einem das Industrieproletariat schon mal abhanden. Während der Genosse Mao Tse Tung versuchte, die Reisbauern zu politisieren, setzen seine Urenkel von der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) nun auf die Kaste der Erwerbslosen, den Opfern von Hartz IV. Auf den Montagsdemos in NRW, vor allem im Revier, ist die Rote Fahne allgegenwärtig – sehr zum Unwillen anderer Demonstranten, die eine zu große Einflussnahme der Kaderpartei befürchten. Der DGB will mit der MLPD keinen gemeinsamen Aufruf unterschreiben. Erste Spaltungen der Kundgebungen haben bereits statt gefunden.

Zu Unrecht, wie das Zentralkomitee der MLPD jetzt mitteilt: „Es entspricht den Tatsachen, dass die MLPD zu den Initiatoren der Bewegung gehört. Gleichwohl steht unsere Arbeit vollständig im Dienst der Vorwärtsentwicklung der selbständigen Montagsdemonstrationsbewegung.“ Die MLPD beanspruche keine Führungsrolle. Warum also der ganze Lärm? Vor allem aber: um wen?

Bundesweit hat die MLPD laut NRW-Verfassungsschutzbericht 2003 rund 2.000 Mitglieder – ein Drittel davon in NRW. Die Zahlen sind seit der Gründung vor 22 Jahren konstant. Genauso wie der Name des großen Vorsitzenden: Stefan Engel. Hauptsitz ist Gelsenkirchen, Parteiorgan die „Rote Fahne“. Die MLPD ging 1982 aus dem maoistischen Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD) hervor. Ein Anachronismus.

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich fast alle bedeutenden Gruppierungen der roten 1970er Jahre von der Realpolitik verabschiedet. Die Mitglieder der maoistischen K-Gruppen wie Kommunistische Partei Deutschlands/Aufbau Organisation (KPD/AO), Kommunistischer Bund Westdeutschlands (KBW) oder Kommunistischer Bund (KB) zogen sich ins Private zurück, gingen zu den Grünen oder gründeten die taz. Weitere Entwicklungen: Die trotzkistische Gruppe Internationaler Marxisten (GIM) fusionierte mit Teilen der stalinistischen KPD/ML (Marxisten Leninisten), der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) kamen mit dem Ende des real existierenden Sozialismus Bezugspunkt und Geldgeber abhanden.

Programmatisch grenzte sich die MLPD vor allem vom Sozialismus Moskauer Prägung ab. Seit der Entstalinisierung warfen die Maoisten der Kreml-Führung Revisionismus vor. Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tse Tung stehen im Bücherregal der Parteimitglieder. Während die Mao-Ideen gegen die Führung der Kommunistischen Partei Chinas ausdauernd verteidigt werden, bleibt das Verhältnis zum Genossen Stalin widersprüchlich. Großer Theoretiker der MLPD ist der 1992 verstorbene Willi Dickhut. Er war seit den 1920ern als kommunistischer Kader aktiv. Sein Kampf galt der „kleinbürgerlichen intellektuellen Denkweise“ an deren Stelle die „proletarische Denkweise“ treten solle. Diese versucht die MLPD jetzt auch den Montagsdemonstranten beizubringen.