Motor-Versagen auf den letzten Metern

Der Verein „Solidarische Hilfe“ beklagt, dass kurz vor Änderung der Sozialgesetze Hilfsbedürftige genötigt werden, ihre Autos zu verkaufen. „Das ist völlig unangemessen“. Sozialsenatorin Röpke lenkt ein: „Problem ist uns bewusst“

Bremen taz ■ Familie Faber* ist im Jargon der Sozialämter eine Bedarfsgemeinschaft. Vater, Mutter und Kind haben als Sozialhilfeempfänger Anspruch auf ein Vermögen von insgesamt 2.098 Euro. Alles was darüber liegt, ob als Sachwert oder als Erspartes, muss die Familie zuerst „verwerten“, bevor sie Anspruch auf Sozialhilfe hat. „Und jetzt hat ihnen der Sachbearbeiter gesagt, sie sollen ihre zehn Jahre alte Nissan-Schrottmühle verkaufen, sonst bekämen sie kein Geld mehr“, empört sich Herbert Thomsen, Mitarbeiter der „Solidarischen Hilfe“.

Der Verein kümmert sich um Sozialhilfe-Empfänger und vertritt deren Interessen gegenüber Behörden und anderen möglichen Streitpartnern. Nun trug eine Mitarbeiterin des Vereins das Auto-Problem in der Sozialdeputation vor.

Denn Familie Faber ist kein Einzelfall. Seit vergangenem Frühjahr werden zwischen den Abteilungen „Wirtschaftliche Hilfen“, zuständig für die Sozialhilfe, und der Kfz-Zulassungsstelle Daten abgeglichen. Ziel des Abgleichs: im Sozialhaushalt Geld zu sparen. Wenn eine hilfebedürftige Familie erst das Auto für 3.000 Euro verkaufen muss, wird das Land Bremen die Sozialhilfe erst drei Monate später auszahlen. „Offenbar will Bremen nun auf den letzten Metern nochmal richtig was einsparen“, mutmaßt Thomsen. Denn ab Januar wird schließlich alles anders.

Hartz IV erlaubt dem Empfänger von Arbeitslosengeld II – und sehr viele derzeitige Sozialhilfeempfänger gehören dann in diese Katogerie – das Halten eines „angemessenen Autos“. Hintergrund: Bislang durfte einem Sozialhilfeempfänger eine Fahrtzeit von höchstens zweieinhalb Stunden zugemutet werden.

Mit Inkrafttreten der Hartz-Gesetze im Januar fällt diese Grenze allerdings weg. Um an eine weit entfernte potenzielle Arbeitsstelle gelangen zu können, brauchen die Hilfsempfägner unter Umständen ein Auto.

„Faktisch heißt das, dass die Leute ihren Wagen jetzt ganz schnell veräußern müssen und ihn dann in vier Monaten wieder zurückkaufen dürfen“, so Thomsen, der das Vorgehen der Behörde als „Schikane“ einstuft. Er kennt Fälle, in denen Sozialhilfeempfängern die Leistung sogar gekürzt wurde, weil ihnen „unwirtschaftliches Verhalten wegen Pkw-Nutzung“ vorgeworfen wurde.

Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes dürfe eine dreiköpfige Familie aber bis zu 86 Euro monatlich für ein Auto ausgeben. „Bremen missachtet diese Rechtsprechungen öfter mal“, sagt Thomsen.

Er gehe im Übrigen davon aus, dass diejenigen Sozialhilfeempfänger, die noch ein Auto haben, dieses auch brauchen. „Man spart viel Geld, wenn man die Sonderposten-Märkte dieser Welt abklappert – mehr als ein günstiges Auto im Monat kostet.“Außerdem wohnten viele Hilfeempfänger „exotisch am Rand der Stadt“, weil die Mieten da billiger seien.

In einem Brief an die Sozialdeputierten und an Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) fordert der Verein daher, dass „jegliche Kürzungen wegen unwirtschaftlichen Verhaltens eingestellt werden“ und das Vermögen bei einem Auto-Besitz grundsätzlich nach den neuen Hartz-Regeln geprüft werden solle.

Genau das will die Senatorin nun auch tun. In der Deputationssitzung schlug Röpke vor, alle Sozialhilfeempfänger, die mutmaßlich nach dem 1. Januar das neue Arbeitslosengeld II beziehen schon jetzt entsprechend zu behandeln. Ein „angemessenes“ Fahrzeug darf somit weiter im Familienbesitz bleiben, ohne dass es für den Lebensunterhalt „verflüssigt“ werden muss. „Das Problem war uns selbst auch schon bewusst. Der Brief der Solidarischen Hilfe hat uns nur noch darin bestärkt, diesen Weg einzuschlagen“, so Ressort-Sprecher Jörg Henschen. Ohnehin habe der Datenabgleich zwischen Kfz-Stelle und Sozialhilfe-Abteilungen wenig zutage gefördert. „Die meisten haben halt kein Auto“, so Henschen.

Elke heyduck