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Handy-Weitwurfweltmeisterschaften in Finnland: Neuer Weltrekord mit 82,55 Metern

Woher bloß kommt die Wut auf das Handy, die alle Werfer anzutreiben scheint?

Seit vielen Jahren bemühen sich hoch bezahlte Marketingspezialisten von Mobilfunkunternehmen darum, den Konsumenten alle paar Monate noch schickere Mobiltelefone mit noch rasanteren Eigenschaften zu verkaufen. Zu jeder Messe ein bisschen höher, schneller, weiter – es ist wie bei den Olympischen Spielen, wo es längst nicht mehr um Sport, sondern offenbar nur noch darum geht, mithilfe raffinierter Dopingmethoden vor gähnend leeren Zuschauertribünen für das Weltfernsehpublikum fragwürdige Siege in mitunter äußerst seltsamen High-Tech-Sportarten zu erringen.

Aber die Wettkämpfe in Athen waren noch nicht zu Ende, da wurde in einer anderen Ecke des Kontinents bereits wieder eine Weltmeisterschaft ausgetragen, diesmal in einer sehr volksnahen Sportart. Bei den „5th International Mobile Phone Throwing World Championships“, die am vergangenen Samstag im finnischen Savonlinna stattfanden, ging es darum, wer ein handelsübliches und mit einem Standardakku bestücktes Mobiltelefon am weitesten werfen kann. Die Wettkampfgeräte wurden vom Veranstalter, der finnischen Übersetzungsfirma Fennolingua, zur Verfügung gestellt. Sie kamen von namhaften Herstellern und unterschieden sich in Größe und Gewicht. So konnten sich die Teilnehmer genau das Gerät aussuchen, von dem sie sich die besten Flugeigenschaften versprachen.

Ville Piippo (32) aus Helsinki hatte eine sichere Hand: Das von ihm gewählte Nokia flog nach einem kraftvollen Wurf genau 82,55 Meter weit. Das ist neuer Weltrekord! Erst im Juni hatte der Norweger Tom Buskum bei den nationalen Meisterschaften mit 74,75 Metern den bis dahin weitesten Wurf geschafft. Diesmal kam er mit 65,33 Metern nur auf Platz sechs. Zweiter und Dritter wurden die Finnen Jani Streng und Petri Valta mit 74,59 beziehungsweise 69,44 Metern.

Bei den Mannschaftswertungen, wo jeweils Dreierteams gegeneinander antraten, konnte sich das Team „Lost In Savo“ mit 209,83 Metern Gesamtleistung gegen „Pukkilan Paroonit“ (148,22 Meter) und „Team Dragon’s“ (135,81 Meter) klar durchsetzen. Das im Vorfeld der WM als durchaus aussichtsreich eingestufte Team „Mobile Horror“ versenkte das Wettkampfgerät im angrenzenden Saimaa-See und erhielt die einzig mögliche Wertung: null Meter!

In der Kategorie „Junioren bis zwölf“ schaffte Santtu Pursiainen erstaunliche 45,51 Meter, dicht gefolgt von Samu Mikkonen (43.23 Meter) und Karri Horppu (39.40 Meter). Höhepunkt der Mobiltelefon-Weitwurf-Weltmeisterschaft war jedoch wie immer die Freestyle-Kategorie. Hier kommt es nicht unbedingt auf kraftvolle Weitwürfe an, Choreografie und künstlerische Ästhetik sind gefragt. Wie beim Eiskunstlauf werden Punkte von einer Jury vergeben, die diesmal auch mit einer Spezialistin vom Ballett besetzt war. In dieser Kategorie dominierten die Frauen. Die Performance von Favoritin Sagal Kouki erreichte den Höchstwert von 25 Punkten – genauso wie das „Tane’s Angels Team“.

Insgesamt nahmen 117 Wettkämpfer aus fünf Ländern an der Weltmeisterschaft teil. Das sind deutlich mehr als je zuvor, und am Ende wurden sogar die Wettkampfgeräte knapp. Doch was bewegt die Leute dazu, ihr Mobiltelefon durch die Gegend zu pfeffern? Ist es die Sportart, die aus der Wut entstanden ist, wie es die Veranstalter behaupten? Der ultimative Zorn, wenn eine nette Plastikstimme einem zum allervierzigsten Mal ins Ohr säuselt, dass „Ihr gewünschter Gesprächspartner zurzeit nicht erreichbar“ ist? Ist es der erstickende Abwürgegriff des Funklochs, in das man garantiert immer dann gerät, wenn es wirklich mal wichtig ist? Den WM-Teilnehmern ist das egal, die haben sowieso ihren Spaß. Und die meisten Mobiltelefone haben die Wettkampfstrapazen bis auf ein paar Schrammen überlebt, bei vielen lassen sich die Gehäuseschalen ohnehin austauschen.

Die Hersteller ultramoderner Mobiltelefone aber sollten künftig die Flugeigenschaften ihrer Geräte im Auge haben, statt über sinnlosen Firlefanz wie kakofone Klingeltöne zu sinnieren. Glatte Vorder- und Rückseite ohne hervorstehende Tasten. Mehr Fläche und leicht gekrümmt, das trägt besser. Zum Weihnachtsgeschäft wird ohnehin die neue UMTS-Generation endgültig auf den Markt gedrückt, die Geräte werden also wieder etwas kompakter und schwerer. Das ist nicht unbedingt von Nachteil, und man darf jetzt schon auf die Weitwurf-WM am 27. August 2005 gespannt sein.

DIETER GRÖNLING