spd in der krise
: Die Botschaft der Basis

Es gibt ein paar Gründe für das Münchner Wahldesaster, die für die SPD ganz tröstlich sind. Der Spitzenkandidat war zu unbekannt – das kann man ändern. Beruhigend ist für die SPD-Spitze auch, dass die Bayern ihrem von Restdeutschland verschmähten Exkanzlerkandidaten Stoiber Mut zusprechen wollten. Mit Stoiber haben sie irgendwie auch sich selbst gewählt.

Kommentar von STFEFAN REINECKE

Das ist alles wahr. Aber es erklärt das Debakel der SPD nicht. Und alarmierender als das miese Gesamtergebnis sind drei Details. Die SPD hat drastisch bei Arbeitslosen und Arbeitern verloren. Sogar die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter, bislang stets SPD-treu, sind zur CSU übergelaufen. Und: Soziale Gerechtigkeit vermuteten die Wähler eher bei der Konkurrenz der SPD. Kein Wunder, wenn sogar SPD-Generalsekretär Olaf Scholz den Begriff für alten Plunder hält. Wozu aber braucht man eine SPD ohne die soziale Gerechtigkeit? Die Frage zielt weit über München hinaus – und trifft direkt den Nerv der Reform-SPD.

Gerhard Schröder gleicht dabei einem Abbruchunternehmer, der die Leute aus ihren Häusern treibt, aber ansonsten, außer der Versicherung, dass alles gut wird, wenig zu sagen weiß. Dass ihm die eigene Basis misstraut, ist verständlich. Es geht um die Frage, was die SPD werden soll, wenn sie nicht mehr sein kann, was sie ist. Schröder hat darauf eine Antwort, die zwar sozialdemokratisch klingt, aber nicht ist: Vorwärts! Doch die Basis wüsste ganz gerne noch, wie die nächste Haltestelle heißt.

Solange die Regierung der ratlosen Basis nicht begreiflich machen kann, warum Arztbesuche künftig Geld kosten und der Spitzensteuersatz künftig sinken wird, werden viele Genossen vermuten, dass notwendige Reform und Umverteilung von unten nach oben vermixt werden. Und das zu Recht. So riskiert die SPD, ihre Basis zu verlieren. Auch wenn schlaue Parteimanager vorrechnen können, dass mit den Stammwählern angesichts wachsender Wechselwähler kein Blumentopf zu gewinnen ist – eine SPD ohne Stammklientel und mit müden Fußtruppen, die keine Plakate mehr kleben wollen, hat keine Zukunft.

Und nun? In den Leitantrag für den Parteitag werden hektisch noch ein paar traditionssozialdemokratische Schlagwörter hineinoperiert, um die Wogen zu glätten. Schröder verbreitet die üblichen Durchhalteparolen. Bayern, heißt es, war ein Denkzettel für die Schröder-SPD. Es ist zweifelhaft, ob die Parteispitze die Botschaft auf diesem Zettel noch lesen kann.