Freikauf vom Gesetz

Italiens Regierung will mal wieder illegale Bautendurch Zahlung einer Gebühr nachträglich genehmigen

ROM taz ■ Noch vor ein paar Monaten war für Italiens Finanzminister Giulio Tremonti die Sachlage klar: Eine Amnestie für Schwarzbauten sei undenkbar. Zu solch unmoralischen Regelungen greife man bloß „in Südamerika nach einem Putsch“. Jetzt tritt der Minister den Gegenbeweis an. In seinem Haushaltsentwurf steht die Amnestieregelung obenan. Statt der Abrissbirne kommt das Finanzamt: Hunderttausende Schwarzbauer, die ohne Genehmigung ihr Häuschen errichtet haben, sollen gegen einen Obolus von 100 Euro pro Quadratmeter nachträglich den Segen des Staats erhalten.

Tremonti hat gute Gründe: Die lahme Konjunktur und hohe Steuerausfälle bringen auch Italien gefährlich nahe an die 3-Prozent-Schwelle bei der Neuverschuldung. Da allein seit 1994 knapp 400.000 Häuser schwarz errichtet wurden, hofft die Regierung mit der Amnestie jetzt auf eine Einnahme von drei bis vier Milliarden Euro. Schließlich bescherten ähnliche Amnestien dem Staat schon 1985 und 1994 unter der ersten Regierung Berlusconi Milliarden.

Der Regierung ist dabei egal, dass sie mit der erneuten Amnestie geradezu zum Gesetzesbruch anstiftet. Wie schon bei der großzügigen Steueramnestie vom letzten Jahr werden die prämiiert, die das Gesetz umgehen. Die Gesetzestreuen stehen dagegen als die Dummen da. Die Folgen lassen sich vor allem im Süden besichtigen. Ganze Ortschaften und Küstenstriche sind dort durch wild hochgezogene Bauten verschandelt. Mit der Amnestie beraubt sich der Staat der Möglichkeit, die ruinierten Landschaften je wieder zu sanieren.

Schon bisher zeigte sich der Staat auf diesem Feld impotent. Komplizierte Prozeduren und die sehr langsame Zivilgerichtsbarkeit sorgen dafür, dass bis zu einer Abrissverfügung oft Jahre vergehen. Ein beliebtes Hilfsmittel für Schwarzbauer sind nicht zuletzt die periodischen Amnestien: Noch heute sind zehntausende Anträge von 1994 nicht bearbeitet. Solange der Antrag aber auf Eis liegt, kommt das Abrissunternehmen nicht – selbst wenn keine Chance auf Legalisierung besteht, weil der Bau etwa mitten in einem Landschaftsschutzpark liegt. Aber selbst die definitiven Abrissverfügungen werden nur in zwei Prozent der Fälle wirklich ausgeführt, denn den Kommunen fehlt das Geld. In Süditalien meldet sich zudem auf öffentliche Ausschreibungen für Abrisse oft kein einziges Unternehmen – aus Angst vor der organisierten Kriminalität. Die bekommt jetzt wie alle anderen Schwarzbauer von der Regierung das Signal: Weitermachen wie bisher! MICHAEL BRAUN