Das große Granteln über Seehofer

Er wollte die CSU-Basis hegen. Doch nun wird Parteichef Seehofers Machtgebaren mit dem des „Paten“ verglichen

MÜNCHEN taz ■ So klingt einer, der mit seiner Partei gebrochen hat. Die CSU sei eine „Partei der Angst“, sagt Rupert Ebner, ganze Wählerschichten seien verscheucht, der Niedergang kaum mehr aufzuhalten, die Europawahl praktisch schon verloren. Seit 1971 ist der 55 Jahre alte Tierarzt Rupert Ebner aus Ingolstadt in der CSU. Jetzt hat er genug. Schuld daran sei der Parteichef, sagt Ebner. „Horst Seehofer hat sich schon immer auf Kosten seiner Partei profiliert.“

Als Seehofer im vergangenen Herbst die Macht in der CSU übernahm, versprach er Großes: In der müde gewordenen Staatspartei sollte es nach dem Debakel bei der Landtagswahl so offen und basisnah zugehen wie nie zuvor. Es gab stundenlang Aussprachen mit der wütenden Basis und Fragebogen, in denen die Dorffunktionäre der Parteiführung endlich ungeschönt ihre Meinung sagen sollten. Von diesem neuen Geist ist wenige Monate später kaum etwas übrig. Über Strategien und Inhalte entscheidet Seehofer im kleinen Kreis. Personalentscheidungen trifft er einsam. Die Zu- oder Absagen verschickt er dann per SMS. Von oben herab diktiert Seehofer, wer in seiner Partei etwas wird und wer nicht – bis hinab in die untersten Ebenen.

Als die CSU in Ingolstadt einen neuen Direktkandidaten für die Bundestagswahl suchte, schien das eine echte Gelegenheit zu sein. Der bisherige Kandidat ist heute Ministerpräsident – Horst Seehofer. Doch wochenlang gab es im Wahlkreis kaum eine Debatte über die Personalie. „Es wurde von Seehofer bestimmt, dass keine Diskussion stattfinden sollte“, sagt der Ingolstädter CSUler Rupert Ebner. „Eine Lichtgestalt sollte den Wahlkreis übernehmen.“ Die Lichtgestalt war der Unternehmer Thomas Bauer. Seehofer wolle ihn nicht nur in den Bundestag hieven, sondern auch zum Bundeswirtschaftsminister machen, berichtete Anfang Februar der Donaukurier, Seehofers Heimatzeitung. Einen Tag später trat aus Protest in Berlin Michael Glos als Wirtschaftsminister zurück. Bauer ließ sich schon als Nachfolger feiern und gab ungeschickte Interviews. Am Tag darauf war er aus dem Rennen.

In Ingolstadt beschloss Rupert Ebner, sich für den Job des Direktkandidaten zu bewerben. Er war jahrelang Landeschef des Tierärzteverbandes, die Menschen vor Ort kennen ihn. Er glaubte an seine Chance. Am Ende kandidierten drei CSUler um den Platz. Es gewann ein politisch wenig erfahrener 31-jähriger Unternehmensberater namens Reinhard Brandl. Seehofers neuer Lieblingskandidat. „Man muss Seehofer zugestehen, dass er seine Meinung sagt“, findet der zweite unterlegene Bewerber Roland Gaßner. Rupert Ebner ist weniger versöhnlich. Der Wahlvorgang sei ein „Requiem“ gewesen. Alte Parteifreunde hätten ihm aus Angst den Handschlag verweigert. Seehofer selbst habe geschwiegen. Und gelächelt. „Es erinnerte mich an den Film ‚Der Pate‘“, meint Ebner. „Seehofer will absolut sicher sein, dass niemand um ihn herum ist, der einmal einen Machtanspruch erheben könnte.“

Das bekommen sogar Spitzenkräfte der CSU zu spüren. Markus Ferber etwa, der Spitzenkandidat für die Europawahl. Vor kurzem deutete Seehofer an, dass er auf die großen Europa-Wahlplakate kein Bild von Ferber drucken möchte. Dafür soll der ihm loyale Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zu sehen sein. Und: Seehofer selbst.

Im Kleinen regt sich bereits Widerstand gegen Seehofers Führungsstil. Die CSU-Bezirk Unterfranken suchte eigentlich einen neuen Vorsitzenden, einen Nachfolger für den in die Rente gemobbten Michael Glos. Zwei Seehofer-treue Jungpolitiker galten als heiße Kandidaten, darunter die neue Vizegeneralsekretärin Dorothee Bär. „Die wären dem Parteivorsitzenden sicher gelegener gekommen“, sagt der Bezirkschef der Jungen Union, Steffen Vogel. Doch die Unterfranken überredeten Glos zum Weitermachen. „Ohne seine Verpflichtungen kann er jetzt frei von der Leber weg unterfränkische Interessen vertreten“, sagt Vogel. Es klingt wie eine Kampfansage. BERNHARD HÜBNER