Schweizer Label für Ökostrom

Ökostrom in der Schweiz: Umweltverbände fördern mit dem Label „naturemade“ die schonende Nutzung der Wasserkraft. Die ist nicht immer ökologisch. Für das „star“-Zertifikat der Wasserkraftwerke gelten strenge Kriterien

Der Markt ist noch klein, doch er wächst. Die Zahl der schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (EVU), die Strom aus erneuerbaren Energiequellen als spezielles Produkt verkaufen, hat sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt. Um zu verhindern, dass die Stromhersteller beliebig mit Ökostrom hausieren gehen, haben die schweizerischen Umweltverbände Kriterien für eine ökologische Stromproduktion entwickelt. Das Label „naturemade“ soll dem Stromkunden garantieren, dass die Natur bei der Herstellung „seines“ Stroms tatsächlich geschont wird.

Dabei ist in der Schweiz bedeutsam, dass fast 60 Prozent des Stroms aus Wasserkraft gewonnen wird. „Doch Wasserkraft ist nicht per se ökologisch“, betont Jan Ryser von der Umweltschutzorganisation Pro Natura. „Die Wasserkraftwerke machen aus Fließgewässern praktisch Seen und greifen damit massiv in die Gewässerökologie ein. Fließwasserfische wie die Äsche oder die Nase sind dadurch nahezu verschwunden“, so Ryser. Die Stauseen in den Alpen hätten wertvolle Täler überschwemmt und legten zudem reihenweise Gebirgsbäche trocken. 1999 gründeten schweizerische Umweltorganisationen gemeinsam mit Stromerzeugern und dem Konsumentenforum Schweiz den Verein für umweltgerechte Elektrizität VUE. Dieser hat das Ökostromlabel „naturemade“ entwickelt, das Wasserkraft-, Biomasse-, Windkraft- und Solaranlagen zertifiziert. Das Label gibt es in den Kategorien „star“ und „basic“. Für die „star“-Zertifizierung der weit verbreiteten Wasserkraftwerke entwickelte der VUE einen strengen Kriterienkatalog. Beim „basic“-Label muss lediglich nachgewiesen werden, dass der Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Fünf Prozent des verkauften „basic“-Stroms müssen zudem aus Anlagen stammen, die als „naturemade star“ zertifiziert wurden. „Basic“ ist damit für die Stromversorger eine Art Einstiegslabel.

Stromanbieter, die ihre Wasserkraftwerke mit „star“ zertifizieren wollen, müssen sich an erhöhte Restwasservorgaben halten, damit die gestauten Flüsse im Unterlauf nicht zu Rinnsalen verkommen. Der sehr trockene diesjährige Sommer hat nach Auffassung des World Wide Fund for Nature (WWF) mehr denn je gezeigt, dass die gesetzlich festgelegten Restwassermengen „viel zu tief angesetzt“ seien. „Zu wenig, zu warmes oder gar kein Wasser bedroht das Leben in den Restwasserstrecken“, warnt die Umweltorganisation. Neben Wassermengen, die Fischwanderungen noch ermöglichen, verpflichten sich die „star“-zertifizierten Stromerzeuger auch zum Einbau von Fischtreppen.

Auch in Bezug auf das „Geschiebemanagement“ stellt „naturemade star“ an die Kraftwerksbetreiber besondere Anforderungen. Während in einem fließenden Gewässer mit ordentlicher Strömung der Fluss in seinem Bett Sand, Kies und Geröll vor sich herschiebt, wird dieses „Geschiebe“ durch die Staumauern gebremst. „Den Kies an der Sohle der Fließgewässer brauchen jedoch viele Fischarten zum Laichen“, erklärt Ryser von Pro Natura. „Die Störung des Geschiebehaushalts beeinträchtigt die Strukturen der Sohle im Flussbett.“ Für „naturemade star“-Strom müssen die Wehre deshalb so gestaltet werden, dass der Fluss sein Geschiebe weiterhin vorwärtsbewegen kann. Wird das angehäufte Geschiebe vor die Staumauer gespült, muss auf die Reproduktionsökologie Rücksicht genommen werden.

Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als 100 Kilowatt müssen zudem einen Förderfonds einrichten, aus dem ökologische Verbesserungsmaßnahmen finanziert werden. Je produzierter Kilowattstunde zahlt der Betreiber 0,1 Rappen in den Fonds ein, je verkaufter zertifizierter Kilowattstunde zusätzlich 0,9 Rappen (rund 6 Cent). Die aus dem Fonds finanzierten Maßnahmen werden mit den Behörden und Umweltorganisationen ausgehandelt.

Um auch Investitionen in die noch wenig verbreiteten „neuen“ erneuerbaren Energieformen wie Biomasse-, Wind- und Sonnenenergie zu fördern, muss der „naturemade star“-zertifizierte Strom zu mindestens 2,5 Prozent aus solchen Anlagen stammen. Die Zertifizierung von Wind- und Solaranlagen ist weniger kompliziert und aufwändig als die der meist jahrzehntealten Anlagen für Wasserkraft.

So muss etwa bei Photovoltaikanlagen sicher sein, dass der Schutz der Umgebung gewährleistet ist und die Anlagen nur auf überbauten Flächen errichtet werden. Die Erbauer von Windkraftanlagen haben sich von vorneherein dazu verpflichtet, Anlagen nur auf Flächen zu stellen, wo sie als umweltverträglich gelten. ANITA MERKT