Der Briefbomber von Niederbayern

Eine Serie von versuchten Anschlägen mit Briefbomben versetzt niederbayerische Politiker in Schrecken. In dieser Woche explodierte erstmals eine der Bomben. Bei der Fahndung nach dem Täter tappt das LKA noch im Dunkeln

MÜNCHEN taz ■ Immerhin weiß das bayerische Landeskriminalamt (LKA) nun, wen es suchen muss. Mehr oder weniger. Der Wiesbadener Kriminologe Rudolf Egg hat in dieser Woche das Profil des Unbekannten skizziert, der eine Reihe von Briefbomben an Politiker in Niederbayern geschickt hat: Es ist ein Mann, der älter als 30 Jahre ist. Er hat bisher ein biederes und unauffälliges Leben geführt, weist aber dennoch die Merkmale einer „querulatorischen, leicht kränkbaren Persönlichkeit“ auf, so der Psychologe. Trotz dieser Personenbeschreibung wird es das LKA nicht leicht haben, den Täter zu fassen – auch wenn sich vermuten lässt, dass er in der Region zwischen Passau, Regen, Deggendorf und Straubing lebt. Denn in diesen Städten sind seit April diesen Jahres insgesamt sechs Briefbomben eingetroffen, die laut Angaben der Polizei alle vom selben Täter stammen.

Am vergangenen Montag ging ein solcher mit Schwarzpulver gefüllter Brief erstmals in die Luft. Dabei wurde eine Mitarbeiterin des Regener Landrats Heinz Wölfl (CSU) leicht an der Stirn verletzt, zudem versengte eine Stichflamme ihre Haare. Auch die anderen Briefbomben waren an Politikerinnen und Politiker adressiert – sowohl von der CSU als auch von der SPD.

Begonnen hat die Serie von Briefbomben am 6. April. An diesem Tag ging ein verdächtiger Umschlag bei Hanns Dorfner ein, CSU-Landrat in Passau. Beim Öffnen des Kuverts entdeckte seine Sekretärin ein Päckchen mit einer Zündschnur. Die Polizei stellte fest, dass es sich um einen Brandsatz handelt, der aus einem Eisbecher und Pulver von Silvesterknallern besteht. Für die Beamten in Passau war klar: Dies ist die „Bastelei eines Laien“, die jedoch „voll funktionsfähig“ ist und gefährliche Verletzungen verursachen kann.

Zehn Tage später traf die nächste Briefbombe gleicher Bauart beim Passauer Oberbürgermeister Albert Zankl (CSU) ein. Danach nahm der unbekannte Täter die Deggendorfer SPD-Bundestagsabgeordnete Brunhilde Irber und ihren Parteikollegen Heinrich Trapp, Landrat in Dingolfing, ins Visier. Zeitgleich zur Explosion einer Briefbombe am Montag traf ein Brandsatz beim Straubinger SPD-Oberbürgermeister Reinhold Perlak ein. Diese Bombe konnte aber entschärft werden.

Die Serie von versuchten Anschlägen ist in Deutschland die erste ihrer Art. Die Ermittler einer beim LKA eingerichteten Sonderkommission stehen bisher vor einem Rätsel – insbesondere, was das Motiv des Täters betrifft. Hinweise gibt es kaum. Einem Brief war ein Zeitungsartikel über die angebliche Lügen Gerhard Schröders im Wahlkampf beigefügt. Des Weiteren gibt die SPD-Bundestagsabgeordnete Brunhilde Irber an, wenige Wochen vor der Briefbombe ein Schreiben mit rechtsextremen Äußerungen erhalten zu haben. Ein schlüssiger Zusammenhang lässt sich daraus kaum konstruieren.

Allerdings könnte als Vorbild jener rechtsradikale Attentäter dienen, der in den 90er-Jahren in Österreich mit einer Reihe von Brief- und Rohrbomben mehrere Menschen tötete und verletzte. Beim LKA wurde die Suche ausgeweitet. Dass vergangenen Montag erstmals zwei Briefbomben an einem Tag eingingen, deutet nach Angaben aus Polizeikreisen darauf hin, dass mit weiteren, möglicherweise gefährlicheren Sprengsätzen gerechnet werden muss. Ein LKA-Sprecher nannte dies eine „neuen Dimension“ der Anschläge.

Um brauchbare Hinweise zu erhalten, hat die Polizei die vom Täter handschriftlich adressierten Umschläge im Internet (www.polizei.bayern.de/fahndung/us) veröffentlicht und darüber hinaus Plakate mit der Handschrift in der betroffenen Region aufgehängt.

JÖRG SCHALLENBERG