Es brennt im Grünen Schloss

Glück im Unglück: Die Anna Amalia Bibliothek sollte restauriert werden. Deshalb waren große Teile des Bestandes ausgelagert

AUS WEIMAR MICHAEL HELBING

Die Klassikerstadt Weimar steht immer wieder mal im Blickpunkt bundesweiten Interesses. Und das hat längst nicht nur mit Geheimrat Goethe zu tun. Nächste Woche zum Beispiel soll von hier aus der diesjährige Tag des offenen Denkmals gestartet werden. Die zentrale Eröffnungsfeier für Deutschland findet auf dem Weimarer Marktplatz statt. Schwerpunktthema diesmal: Wasser.

„Eine für Weimar typische Koinzidenz“ hat das Hellmut Seemann gestern genannt. Denn der Präsident der Stiftung Weimarer Klassik verfügt seit vorvergangener Nacht ziemlich unfreiwillig über ein offenes Denkmal. Und Wasser ist auch dabei. Die traditionsreiche Herzogin Anna Amalia Bibliothek, auch „Grünes Schloss“ genannt, ging am Donnerstagabend in Flammen auf. Aus bislang ungeklärter Ursache entstand im Dachstuhl ein Feuer und vernichtete binnen kürzester Zeit die zweite Galerie des Rokokosaales. 30.000 Schriften aus dem 16. bis 18. Jahrhundert waren hier untergebracht, nun sind sie für immer verloren. Darunter sind auch viele Bände, mit denen einst Goethe gearbeitet hatte. Sie alle waren Teil des Unesco-Weltkulturerbes.

Eine Million Bücher gehören zum Bestand, darunter die umfangreichste „Faust“-Sammlung, aber auch eine bedeutende Bibelsammlung. Diese aber sind erhalten geblieben. Schon seit Monaten nämlich bereitete sich die Bibliothek auf lang ersehnte Sanierungsarbeiten vor. Das Gros des Bestandes liegt deshalb im neuen Erweiterungsbau der Bibliothek, einem Tiefenmagazin unterm Platz der Demokratie. Fünf Wochen später, und die alte Bibliothek wäre leer gewesen. So aber standen noch 75.000 Bände in den Regalen. Jene etwa 45.000 Schriften, die nicht Opfer der Flammen wurden, sind getränkt mit Löschwasser. Feuerwehrleute und Mitarbeiter der Stiftung hatten eine Menschenkette gebildet und mit der Evakuierung der Bücher begonnen, als hoch über ihnen das Feuer loderte. 26 verschiedene Feuerwehren waren mit der Brandbekämpfung beschäftigt, dennoch schien es längere Zeit, als könnten sie wenig ausrichten. Alle befürchteten das Schlimmste. Als das Feuer schließlich unter Kontrolle war, traute kaum jemand der Statik des Hauses. Bis in den Morgen dann schleppten freiwillige Helfer Bücher aus dem Haus. Um noch schlimmere Schäden zu vermeiden, Schimmelbefall vor allem, wurden sie gestern nach Leipzig überführt, ins Zentrum für Bucherhaltung.

Niemand weiß bislang, wie es zu dem Brand kam. Dass der Brandschutz allerdings mehr als nur mangelhaft war, ist ein offenes Geheimnis. Kulturstaatsministerin Christina Weiss kam gestern zum Lokaltermin, vier Millionen Euro Soforthilfe des Bundes im Gepäck. Nike Wagner, die derzeit das Weimarer Kunstfest leitet, sprach indes auch von einem heilsamen Schock. Das Brandereignis mahne einen pfleglicheren Umgang mit nationaler Identität an. Diese aber ist auch ein ziemlich offenes Denkmal.