„Impuls muss aus der Führung kommen“

Der SPD-Abgeordnete Hans-Peter Bartels meint, Schröder fehle die Zeit, um sich richtig um die Partei zu kümmern

taz: Herr Bartels, seit der Abstimmung vom Freitag brodelt es in der SPD. Liegt das an der Regierung oder den Abweichlern?

Hans-Peter Bartels: Als am Freitag über die Gesundheitsreform abgestimmt wurde, wollten einige ihr gutes Gewissen retten. Deshalb haben wir jetzt diese Debatte. Parteiführung und Regierung sind nicht ganz unbeteiligt daran. Für die Öffentlichkeit ist derzeit nicht erkennbar, wo die Grenze zwischen unserer Reaktion auf die Konjunkturflaute und der großen Reformlinie verläuft.

Nicht einmal die eigene Basis versteht den Reformkurs.

Parteiführung und Regierung haben ganz eindeutig ein Vermittlungsproblem. Der Grund dafür sind auch Schwächen im Konzept. Wir verfolgen jetzt eine Politik, die sich ganz wesentlich von dem unterscheidet, was die Partei in den Neunzigerjahren diskutiert hat. Die jetzige Debatte hätte viel früher geführt werden müssen.

Ist Schröders Reformkurs überhaupt vermittelbar?

Der Kurs ist richtig, weil er die tatsächlichen Probleme unseres Landes angeht. Wir haben die schwere Aufgabe, auf die aktuelle Konjunkturflaute und den langfristigen demografischen Wandel gleichzeitig zu reagieren. Dies entbindet uns aber nicht davon, unsere Politik zu erklären.

Hat die SPD unter diesen Umständen überhaupt eine Chance, aus der Glaubwürdigkeitskrise herauszukommen?

Selbstverständlich. Wir brauchen einen programmatischen Aufbruch. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Die Parteiführung muss jetzt klar machen, wie das kurzfristig Notwendige mit den großen Strukturreformen zusammengeht. Dieser Impuls muss aus der Führung kommen.

Kann Schröder das leisten?

Müntefering tut derzeit mehr dafür als der Kanzler. Wenn Schröder sich dieser Vermittlungsaufgabe widmet, hat er ja Erfolg. Aber er hat zu wenig Zeit dafür. Denn die Hälfte seiner Kraft braucht er für die Außenpolitik. Eine Lehre aus dieser Situation wird vermutlich sein, dass die SPD mittelfristig Parteivorsitz und Kanzlerschaft trennt.

Und Olaf Scholz? Hat er die Wünsche der Basis ausreichend in die Regierung getragen?

Scholz hat einen schweren Job. Und er hat gezeigt, dass er kein Wegducker ist. Er hat der Partei bei der Regierung Gehör verschafft. Die von ihm angestoßene Programmdebatte findet zwar ein zwiespältiges Echo. Aber wir brauchen Denkanstöße.

Wird die SPD bei der Bundestagswahl 2006 von ihren Reformen profitieren?

Die Fixierung auf 2006 halte ich für gefährlich. Wir werden die nächste Bundestagswahl nicht gewinnen, wenn wir bis dahin weiter alle Kommunal- und Landtagswahlen verlieren. Ein Leben nur für den kommenden Bundestagswahlkampf können wir uns nicht leisten.

INTERVIEW: MATTHIAS BRAUN