schröder in der krise
: Der Sinn der Partei

Gerhard Schröder kann mit Geschichte, wie man weiß, nicht viel anfangen. Seine Kunstfertigkeit besteht in der raschen Reaktion auf Stimmungen und Neues. Umso bemerkenswerter ist, dass Schröder an 1982 erinnert, um die SPD zur Räson zu bringen. Damals, so Schröder, hat die SPD Helmut Schmidt allein gelassen und sich mutwillig für 16 Jahre in die Opposition verabschiedet. Genau genommen hat damals die FDP Schmidt gestürzt und nicht die SPD-Linke – aber die Frage ist gleichwohl aufschlussreich: Hatte Schmidt 1982 Recht? Muss Schröder nun, wie Schmidt damals, die SPD mit Erpressung zur Vernunft zwingen?

Kommentarvon STEFAN REINECKE

Schröder will auf Biegen und Brechen die Agenda 2010, den Um- und Abbau des Sozialstaates, durchsetzen. Die SPD steht dieser Idee verständlicherweise skeptisch gegenüber, denn es geht um den Abschied von sozialdemokratischen Kernideen: dem Ideal der sozialen Gerechtigkeit und dem Staat als Mittel, um diese zu verwirklichen.

Das allein ist eine Zumutung für die SPD. Doch Schröder hat zudem wenig getan, um der Partei die Sache nahe zu bringen. Er hat weder eine „Blut, Schweiß und Tränen“-Rede gehalten noch es für nötig befunden, der Parteilinken ein paar Zugeständnisse – etwa bei der Vermögens- oder Erbschaftsteuer – zu machen. Schröder glaubt, dass die Agenda 2010 schlicht und einfach notwendig ist. Punktum. Doch selbst wenn es so wäre: Dies ist kein ausreichender Grund. Keine Partei will nur das Notwendige exekutieren, das können auch Verwaltungen. Parteien brauchen Sinn. Und gerade die SPD (die anders als die Union nicht vom Machterhalt allein leben kann) braucht sehr gute Gründe, wenn sie ihre Überzeugungen auswechseln soll. Schröder kann sie nicht liefern, deshalb setzt er auf Erpressung. Scheinbar wirkt er nun stark, aber es ist eine Stärke aus Ohnmacht.

Derzeit verliert die SPD tausende Mitglieder. Diese lautlose Resignation ist die Gefahr, die die SPD bedroht – nicht jene Gruppe von Abweichlern, die gegen die Gesundheitsreform gestimmt hat. Sie gibt dem stummen Protest immerhin eine Stimme. Gefährlich ist der Rückzug ins Private, den Schröders Politik der alternativlosen Notwendigkeit produziert. Lebensgefährlich ist für die SPD nicht der Streit, sondern der Mangel an Debatte, der geistige Stillstand, der um Schröder herrscht.

Das ist auch die Botschaft von 1982: Kein SPD-Kanzler kann auf Dauer gegen die eigene Partei regieren. Schröder scheint sie nicht entziffern zu können.