Schröder: Linke rechts ran!

Bundeskanzler Schröder warnt seine Partei vor Machtverlust wie im Jahr 1982. Abweichler im Bundestag unter massivem Druck. SPD-Linke will bei Parteitag eigenen Leitantrag einbringen

BERLIN taz ■ In der SPD ist gut sechs Wochen vor ihrem Bundesparteitag der Richtungsstreit über den Reformkurs wieder aufgebrochen. Bundeskanzler Gerhard Schröder warnte vor einem Machtverlust der rot-grünen Regierung und wies Forderungen der Parteilinken nach Korrekturen erneut zurück. „Guckt mal genau hin, wie das 1982 gelaufen ist, als sich die sozialliberale Koalition in einem Erosionsprozess auflöste“, sagte Schröder auf einem Gewerkschaftskongress in Hannover. Es habe 16 Jahre gedauert, bis die SPD wieder einen Kanzler stellen konnte. Gleichzeitig gestand er ein, bei der Umsetzung seiner Reformpläne Fehler gemacht zu haben. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz rief die Partei auf, Geduld zu zeigen. „Wir brauchen nur noch bis zum Jahreswechsel und ein bisschen darüber hinaus, um das durchzubringen“, sagte er. Am Freitag hatten sechs sozialdemokratische Abgeordnete der rot-grünen Gesundheitsreform ihre Zustimmung verweigert.

Gerhard Schröders Mahnung zur innerparteilichen Geschlossenheit wurde vom Seeheimer Kreis unterstützt – der Plattform konservativer Sozialdemokraten. Die Abweichler sollten für die Reformen stimmen oder ihr Mandat niederlegen, sagte Sprecher Johannes Kahrs. „Sie müssen selber merken, dass es so nicht weitergeht.“ Karl Herrmann Haack, ebenfalls Mitglied des Seeheimer Kreises, empfahl seiner Partei, sich zu fragen, ob sie diese „charakterlosen Gesellen“ noch einmal in den Bundestag schicken wolle. Die Sprecherin der Parteilinken, Andrea Nahles, warnte dagegen davor, Druck auf die sechs Abgeordneten auszuüben. „Die Situation ist so angespannt, dass man nicht noch Öl ins Feuer gießen sollte“, sagte sie. Linke Sozialdemokraten, die sich beim „Forum Demokratische Linke 21“ in Berlin getroffen hatten, griffen Schröders Reformvorhaben an. Entgegen einer früheren Abmachung mit der Parteispitze beschlossen sie, auf dem Bochumer Parteitag im November einen eigenen Leitantrag zu stellen. Darin fordern sie eine höhere Erbschaftssteuer, Ausbildungsplatzabgabe und Bürgerversicherung sowie eine grundlegende Wende zu einem neuen Sozialstaatskonzept.

Für den Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels (SPD) wurzelt der Richtungsstreit darin, dass die Reformer ihre Pläne unzureichend erklärten. „Parteiführung und Regierung haben ganz eindeutig ein Vermittlungsproblem“, sagte er der taz. Der Grund dafür liege auch in konzeptionellen Schwächen. „Die jetzige Debatte hätte viel früher geführt werden müssen“, sagte Bartels. Er sprach sich dafür aus, Parteivorsitz und Kanzlerschaft „mittelfristig“ voneinander zu trennen. Das werde eine Lehre aus der jetzigen Situation sein, sagte er. MATTHIAS BRAUN

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