No Respect vor weißen Kitteln

Operation gelungen: Patient weiß Bescheid. Die „Summer School of Public Health“ diskutiert ab Donnerstag die Rolle des souveränen Patienten. Soll mit ihm bloß Geld gespart werden?

Die Fragen sind simpel: Hat sich zum Beispiel die pflegende Schwester mit Namen vorgestellt?

Bremen taz ■ „Sie haben mehr zu sagen als bloß ‚Aaaaaa’!“ Der Satz stammt nicht etwa aus der Kampfschrift einer unabhängigen Patientenberatung, sondern aus den offiziellen Papieren zur Gesundheitsreform. Ministerin Ulla Schmidt hat ihn für die große Politik wiederentdeckt, den „Souveränen Patienten“. Neu ist er freilich nicht. Das Zentrum für Public Health an der Bremer Uni beschäftigt sich seit seiner Gründung mit dem Hilfe- und Selbsthilfepotential aufgeklärter Kranker. Und die Summer School of Public Health schließlich, die ab Donnerstag in Delmenhorst stattfindet, hat ihn zu Hauptfigur ihrer diesjährigen Tagung erkoren.

„Es ist naiv, zu glauben, Patienten könnten von heute auf morgen mündig werden“, so Norbert Schmacke, der am Bremer Zentrum für Public Health Gesundheitsversorgungsforschung betreibt. Ungeachtet des zungenbrecherischen Namens geht es bei seiner Forschung um ganz simple Fragen: „Was erwarten Patienten eigentlich von den Ärzten? Kann es gelingen, dass die beiden – Mediziner und Kranke – sich auf Augenhöhe begegnen? Und eine ganz wichtige Frage lautet: Was nützt Aufklärung? Gibt es messbare Effekte der Patientenorientierung? Schmacke hat die Erkenntnisse vor allem der englischen Patientenforschung parat. „Es werden viel weniger Kunstfehlerprozesse geführt, wenn Kranke sich während der Behandlung ernst genommen fühlen“. Oder in der Sprache der Wissenschaft: „Das Kränkungspotential nimmt ab, je besser die Kommunikation zwischen Mediziner und Patient funktioniert.“ Auch in der Bremer Forschung findet sich Entsprechendes: Studien haben gezeigt, dass ‚mündige‘ Bluthochdruckpatienten gesünder sind: Sie sprechen beispielsweise mit dem Arzt über Nebenwirkungen und sie lassen nicht einfach Medikamente weg.

Es kennzeichnet die Summer School, dass hier Theorie und Praxis nah zusammenkommen. Zum neunten Mal findet die Tagung als Kooperation der Stadt Delmenhorst mit dem Zentrum für Public Health statt. Da ging es in der Vergangenheit mal um Kinder und ihre medizinische Begleitung, mal um den kritischen Umgang mit Arzneimitteln und diesmal eben um den „Souveränen Patienten“. Praktiker aus den Berufsgenossenschaften und aus Pflegeeinrichtungen sind dabei ebenso von der Partie wie der ehemalige Direktor der Freiburger Tumor-Klinik, Gerd Nagel, oder der holländische Professor Antonius Kerkhoff, der über den dortigen Umgang mit Patientenrecht referiert. „Aber sie alle wissen, dass sie es mit einem Publikum zu tun haben, in dem sowohl interessierte Laien sitzen als auch Fachleute. Und es ist immer wieder spannend zu sehen, welche Kommunikation das in Gang setzt“, so Hildegard Jansen-Bitter, die die Veranstaltung von der Bremer Seite aus betreut.

Dass sich die diesjährige Summer School dabei immer wieder auf die Gesundheitsreform bezieht, ist dabei selbstverständlich. „Immerhin ist im Rahmen dieser Reform erstmals vorgesehen, dass ein Bundesinstitut für verständliche Informationen für die Patienten sorgt“, so Gesundheitsforscher Schmacke. Und auch wenn er die Reform als „Werk des Zeitgeistes“ nicht gutheißt, beinhalte sie doch immerhin die Möglichkeit, den Patienten ein wenig mehr ins Recht zu setzen.

Ein leuchtendes Vorbild gelungener Aufklärung sei etwa der Klinikführer Ruhrgebiet. Regelmäßige Patientenbefragungen machen die Krankenhäuser untereinander vergleichbar. Dabei sind die Fragen auch hier oft ganz simpel: Stellt sich die pflegende Schwester mit Namen vor?, gibt es einen Entlassungsritus, der klarmacht, wie es weitergeht? Schmacke erklärt: „Die stationäre Medizin braucht solche ‚Kundenbefragungen‘. Etwas Vergleichbares einzuführen ist auch für uns hier im Norden ein prominentes Ziel“.

Elke Heyduck

Das komplette Programm steht unter www.summerschool-del.uni-bremen.de im Netz