Wo ist der Buddha?

Morde in der Speicherstadt: 15 behinderte Menschen der gemeinnützigen Theaterwerkstatt „mittendrin!“ präsentieren eine Hamburger Krimirevue

Statt Begabung soll das Selbstbewusstsein der AkteurInnen gefördert werden

von LASSE HINRICHS

Aylin Kayanak sitzt auf der Bühne und wartet darauf, dass es losgeht. Beinebaumelnd schaut sie zum Fenster herüber, wo eine goldene Buddha-Statur auf dem Sims ruht. Die Sonne scheint herein. Jemand rückt Stühle. Der Amelie-Soundtrack dudelt aus den Boxen, und – klikaka klikaka klak – Michael Kröning steppt sich in Stimmung. Es ist kurz nach 17 Uhr, gleich beginnen die Proben für „Mord in der Speicherstadt“. Theaterpädagogin Olga Brandin, eine kleine Frau in schwarzem Rock und mit roten Haaren, läuft geschäftig im Saal hin und her.

Die Hamburger Krimirevue stammt aus ihrer Feder. Die Inzenierung ist Teil der Behinderten-Arbeit von „mittendrin!“, einem gemeinnützigen Dienstleister aus Nettelnburg, der pädagogische und therapeutische Hilfe sowie soziale Dienste anbietet. Neben betreutem Wohnen und Familienhilfe gehört auch Laienschauspiel dazu.

Schon seit Anfang des Jahres wird in der Theaterwerkstatt intensiv geprobt. 15 Menschen mit Behinderungen im Alter zwischen 20 und 40 aus Bergedorf, Nettelnburg und Allermöhe treffen sich regelmäßig im Allermöher Stadtteilzentrum Kultura, um Texte und Bewegungen pünktlich zur Premiere am Samstag einzuüben.

Jeder spielt das, was die Behinderung zulässt. Kayanak (24) gibt die Hauptdarstellerin Viva Engel, deren Bruder einem Verbrechen zum Opfer fällt. Kröning (27), der gern auf eine Schauspielschule gehen würde, ist der Zeitungsverkäufer, der die unheilvolle Nachricht überbringt. Brandins Stück handelt von der Suche Vivas nach dem Mörder und einer Buddha-Statue, die seit dem Verbrechen verschwunden ist.

Reines Text-Theater zu machen, sei unsinnig, sagt Projektleiterin Brandin. Sie setzt darum auch auf Bilder: Eine Stuhlreihe symbolisiert die U-Bahn, ein Gitter die Reeling eines Schiffs. Eine bewegliche Pfahlkonstruktion mit wechselnden Hamburg-Motiven soll die Phantasie der Zuschauer anregen.

Lange „Ahhhs“ und „Ohhhs“ erfüllen den Raum. Mit geschlossenen Augen horchen die AkteurInnen in sich hinein, ihre Augen blicken konzentriert. „Stellt euch vor, ihr spielt vor Zuschauern“, sagt Brandin. Szene eins von insgesamt neun: Das Fußballspiel. Zwei Mannschaften taumeln wie in Trance über den Platz und schieben in Zeitlupe einen Ball vor sich her. „Das geht immer noch viel zu schnell“, ruft Brandin, „nutzt den ganzen Raum aus.“ Die AkteurInnen drosseln das Tempo, die Wege werden länger. Jetzt sieht Brandin zufrieden aus.

Es geht nicht um die Begabung, erklärt die Pädagogin, das sei nicht das Kriterium. Es geht um Spaß und darum, kreativ zu sein. Der Effekt ist bei allen der gleiche: Stärkung des Ausdrucksvermögens, des Selbstbewusstseins und des Körpergefühls.

„Mit mehr Geld könnten wir für Behinderte bessere Möglichkeiten schaffen, ihre Eigenständigkeit zu trainieren“, sagt Pädagogin Brandin, deren Projekt von der Bildungsbehörde gefördert wird. „Soll die Qualität der Arbeit gut sein, ist das personalintensiv – und das ist teuer“, fügt sie hinzu, denn Bühnenmaterial und Mitarbeiter müssen bezahlt werden. Für sein nächstes Projekt sucht „mittendrin!“ darum noch Sponsoren.

Premiere ist am Samstag, 4. Oktober, 19 Uhr, im Kultura Allermöhe in der Otto-Groth-Straße 90. Das Stück gibt es auch am 7. November, 19 Uhr im Lola, Lohbrügger Landstraße 8, in Bergedorf zu sehen. Karten gibt es unter ☎ 888 80 60.