der nebel ist ein wanderzirkus von ANDRÉ PARIS
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Der Herbst ist eine junge Frau, die das Haus verlassen hat und feststellt, dass sie vergaß, den Schlüssel mitzunehmen. Sie steht also auf der Straße vor dem Haus, in dem sie die Wohnung im zweiten Stock hält und geht nicht weiter. Hat sie etwas vergessen? Zum ersten Mal, seit sie in diesem Haus wohnt, rennt sie nicht weiter, als sie das Haus verlässt. Sie glaubt zu hören, wie hinter ihr die Haustür ins Schloss fällt. Plötzlich zweifelt sie daran. Hat sie es tatsächlich gehört, oder hat sie es sich nur eingebildet? Hat sie denn jemals kontrolliert, ob die Haustür wirklich ins Schloss gefallen war, wenn sie bei Verlassen des Hauses dieses Geräusch vernommen hatte?

Sie gerät in Aufregung. Was war denn los? Warum war ihr das wichtig? Die Frau steht noch immer vor dem Haus und dreht sich um. Als sie sich umdreht, hört sie, wie die Tür ins Schloss fällt. Aber sie sieht es nicht. Die Tür ist längst verschlossen, als ihr Blick die Hausfront trifft. Was soll der Quatsch?

Sie blickt an sich herab und stellt fest, dass sie stehen geblieben ist. Das ist ihr unheimlich. Aber sie ist jetzt unabänderbar stehen geblieben. Das ist nicht ungeschehen zu machen. Sie blickt sich um, ob ihr jemand beim Stehenbleiben zugesehen hat. Was, wenn man sie jetzt fragte, was sie sich da herauszunehmen wagt, am helllichten Tage stehen zu bleiben? Würde sie entgegnen: Pardon, mein Herr, ich bin nicht stehen geblieben, ich hielt lediglich inne, ich dachte, mich kurz sammeln zu müssen.

Sie blickt abermals an sich herab. Keinen Zentimeter hat sie sich fortbewegt. Gerade war es ihr unheimlich, jetzt ist es ihr peinlich. Sie sieht sich um, und es scheint, als würde ihre Person und das, was ihr da gerade zustößt, hinter zitternden Gardinen Erwähnung finden. Es wäre so einfach weiterzugehen! Sie könnte einen späteren Bus nehmen, niemand im Büro würde es erfahren. Gegen Abend hätte sie den Vorfall vergessen. Sie könnte Freunde treffen und besonders laut lachen.

Jetzt möchte ich aber doch wohl weitergehen, denkt sie, und erschrickt über die Notwendigkeit dieses Gedankens, als sie sieht, wie eine Rentnerin die Straßenseite wechselt. Die Alte trägt eine Einkaufstüte, die halb leer zu sein scheint, und bei deren Anblick sich die Stehende vorstellen muss, dass die Henkel in der Straßenmitte reißen. Der Tüteninhalt würde mit einem unfassbar nassen und traurigen Geräusch auf den Asphalt neben den Mittelstreifen treffen. Ein Geräusch, das sie an das Herbstrauschen des Nebels erinnerte, der nachts wie ein Wanderzirkus von Stadt zu Stadt zieht und seufzt, bis er sich gegen Morgen ängstlich und ungeliebt unter Brücken versteckt.

Die Alte steht auf der Straßenmitte, als der Bus naht. Sie stockt, sie sieht auf ihre zitternde Hand. Die Tütenhenkel reißen. Der Asphalt seufzt, als die Rentnerin sich bückt, um aufzusammeln, was ihr entglitten war. Die Stehende dreht sich weg, als wäre es auch ihre Schuld. Dabei fällt ihr auf, dass sie vergaß, den Haustürschlüssel einzustecken. Dann läuft sie weiter. Am Nachmittag ließ der Vermieter einen Zweitschlüssel im Büro abgeben.