Tragische Überforderung

Die behinderte Tochter getötet: Das Landgericht verurteilt eine 76-Jährige zu einer Bewährungsstrafe

Für die Tötung ihrer behinderten Tochter hat das Hamburger Landgericht am Dienstag eine 76-Jährige zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die Richter werteten die Tat als einen minderschweren Totschlag, den die völlig überforderte Rentnerin in einer „psychischen Grenz- und Ausnahmesituation“ begangen habe.

Die Frau hatte gestanden, ihre 52 Jahre alte Tochter im November 2008 nach Jahrzehnten aufopferungsvoller Pflege in der Familienwohnung in Steilshoop mit einer Tüte erstickt zu haben. Nach Auffassung des Gerichts sah die gesundheitlich angeschlagene Frau, die sich auch um ihren demenzkranken Mann kümmerte, keinen Ausweg mehr. Man habe eine „menschliche Tragödie“ juristisch aufarbeiten müssen, bei der „das Strafrecht an die Grenze dessen gestoßen ist, was es leisten kann“, sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Er hoffe, dass die Angeklagte „vor sich selbst und einer höheren Instanz ihren Frieden“ finde.

Nach Feststellung des Gerichts hatte sich die Frau mit fast übermenschlicher Energie um ihr geistig und körperlich behindertes Kind gekümmert. Weil dieses panisch auf Fremde reagierte, hatte sie es rund um die Uhr allein und fast isoliert von der Außenwelt zu Hause betreut.

Der Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen, Stephan Richter verwies gegenüber der taz auf ein „differenziertes Angebot“ an ambulanten und stationären Hilfsangeboten in Hamburg. Angesichts eines solchen Falles müsse man fragen, warum die Familie sie nicht habe suchen und annehmen können. DPA/TAZ