„Dein/euer Quartier ist bei Familie P.“

Eine Ausstellung im Frieda-Frauenzentrum erzählt Geschichte(n) von Lesben in der DDR. Und macht Lust auf mehr

„Das Foto auf Seite 5 war von Christina Schenk“ heißt es unscheinbar auf der ersten Seite der DDR-Lesbenzeitung „frau anders“, Ausgabe IV 1989, Heraus-geberin Lesbengruppe Jena. Die Sprache ist ungestelzt, das kleine A5-Heft aus gelblichem Papier, die Schrift entweder Schreibmaschine oder von Hand.

Wer es sieht, weiß sofort: Hier haben DDR-Frauen ihr Ding gemacht. Haben an offiziellen Publikationen vorbei geschrieben und sich organisiert, weil es sonst nichts gab, wo sie hingehören wollten oder konnten. Heute hängt das Heft mit fünf anderen Exemplaren in der Ausstellung „Lesben-Lebensweisen in der DDR der achtziger Jahre“ im Frieda-Frauenzentrum – und Christina Schenk ist nicht mehr eine unter vielen: Sie saß von 1990 bis 2002 als Abgeordnete für Grüne und PDS im Bundestag.

Die ostdeutsche Künstlerin Leo Tesch hat die 31 Ausstellungstafeln zusammengestellt, sie will zu mehr Beschäftigung mit dem wenig behandelten Thema anregen. Wer durch die Räume geht, dem lacht zunächst das Herz. Das Frieda-Frauenzentrum ist kein Museum – es gibt noch anzusehen und anzufassen, was anderswo hinter Glas gelandet wäre: Kirchentagsprogramme mit Randnotizen oder eine matritzengeschriebene Einladung zum 3. Dresdner Frauenfest mit dem handschriftlichen Hinweis: „Dein/euer Quartier ist bei Familie P., Ludwig-Hartmann-Str. 31.“ Dazwischen Erfahrungsberichte über das Leben lesbischer Frauen in der DDR in lesbarem Deutsch, viele Fotos aus den meist halb privaten Zusammenkünften bei Urlauben und Kirchentagen.

Es fehlen längere Berichte von Frauen über ihre Zeit als DDR-Lesben aus heutiger Sicht. Viele der Texte sind den kleinen DDR-Schriften entnommen. Was aber sind die Lebensgeschichten dieser Frauen, und was machen sie heute? Die Ausstellung ist alles andere als eine vollständige Darstellung lesbischen DDR-Lebens in den 80er-Jahren. Aber sie gibt eine Ahnung davon, wie viel es zu erzählen und zu forschen gäbe, wenn sich jemand des Themas annähme – mit den dazugehörigen finanziellen Mitteln.

FRIEDERIKE WYRWICH

Noch bis 7. Oktober im Frieda-Frauenzentrum, Proskauer Str. 7. Di. und Do. 9–23 Uhr, Fr. 19–23 Uhr, Sa. 11–14 Uhr