Mit ziviler Courage gegen rechts

Jugendliche fingen an. Dann kamen der Bürgermeister und der Pfarrer dazu. Nach den Erfolgen Rechtsextremer bei den Europawahlen 1999 entschloss sich die Aktion Zivilcourage, etwas gegen die Rechten zu tun. Heute organisieren die 30 Jugendlichen Aufklärungsveranstaltungen – selbst für Lehrer

VON FLORIAN HÖHNE

„Lafontaine ist schuld!“ Das meinen einige. Die anderen zeigen mit spitzen Fingern nach Berlin: Die vier Prozent für die NPD im Saarland brauchen einen Schuldigen. Doch zwischen den „Der war’s! Der war’s!“-Rufen gehen jene unter, die tatsächlich etwas gegen Rechtsextremismus tun. Schüler- und Jugendgruppen zum Beispiel – wie die „Aktion Zivilcourage“ in Sachsen. Dort stehen jetzt Landtagswahlen an und das saarländische Ergebnis verheißt nichts Gutes.

„Schüleraktion“ klingt nach großen Plänen, viel Tee, Palavern und selbst gebastelten Plakatwänden mit Amateur-Grafiken. Ganz anders aber und ungewöhnlich professionell präsentiert sich besagte Aktion Zivilcourage dem sächsischen Pirna, die seit fünf Jahren gegen rechts mobilmacht: Sie setzen auf Kulturprojekte und Aufklärung. „Wo es kaum ein Angebot für Jugendliche gibt, stellen wir selbst was auf die Beine“, erklärt Kristian Fürst, ein Sprecher der Aktion Zivilcourage.

Die sächsische Schweiz, die Region um Pirna, ist ein von Rechten stark bevölkertes Gebiet: Immer wieder war die Gegend wegen brauner Wahlerfolge in den Schlagzeilen. Bei den Kommunalwahlen Mitte Juni erst ist die NPD noch vor der SPD drittstärkste Kraft geworden. Und dort trieb auch die militant rechtsextreme Kameradschaft „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS) ihr Unwesen. Der Schlägertrupp wurde im April 2001 vom sächsischen Innenminister verboten.

„Viele von uns waren selbst Opfer rechter Gewalt“, erzählt Sebastian Reißig, der schon bei der Gründung der Aktion 1999 dabei war und jetzt im eigenen Büro der Aktion Zivilcourage fest angestellt ist. „Wir lebten in Angst vor den Skinheads“, erzählt Reißig, „Veranstaltungen mussten wegen der Rechten oft abgesagt werden.“

Anlass für die Gründung der Aktion Zivilcourage waren die Ergebnisse der Europawahlen 1999: „Zu viert haben wir uns gesagt: Wir können nicht nur jammern, wir müssen was machen“, erzählt der damals 19-Jährige weiter. Am schlimmsten war der Ausgang in der Nachbarstadt von Pirna, Rathen: 18,9 Prozent für rechte Parteien. Deshalb entschlossen sich die Jugendlichen, den dortigen Bürgermeister aufzufordern, etwas gegen die Rechten zu unternehmen. Ein Pfarrer sollte auch noch mitkommen, um einen besseren Eindruck zu machen. Dann fielen ihnen immer mehr Leute ein, die den Eindruck auf den Bürgermeister verstärken würden. Schließlich haben sie einen Runden Tisch gegen rechts veranstaltet und Vertreter von Parteien, Justiz, Polizei und Gewerkschaft eingeladen.

„Denen haben wir gesagt, was uns stört und was für Probleme wir mit Rechten haben“, erzählt Reißig. Viele hätten darauf ablehnend reagiert und die Probleme geleugnet. Tourismus ist wichtig für die Region – da passen Nachrichten über Rechtsextreme nicht ins malerische Landschaftsbild der Reiseprospekte. „Anfangs wurden wir als Netzbeschmutzer und linksextrem beschimpft“, so Reißig: „Uns lag aber immer an einem breiten gesellschaftlichen Bündnis gegen rechts.“

Mittlerweile ist der Ruf der Aktion deutlich besser. Der jetzige Oberbürgermeister von Pirna, Markus Ulbig, zeigt sich froh über die jungen Menschen, die was gegen rechts machen: „Wir haben das Problem Rechtsextremismus“, sagt er, „das zu leugnen ist der falsche Weg.“ Stattdessen müsse offensiv aufgeklärt werden. Dabei spiele die Aktion Zivilcourage eine wichtige Rolle.

Der Wendepunkt für Aktion Zivilcourage kam mit der Demo „Zeichen gegen rechts, Faschismus ist keine Meinung, sondern Verbrechen“ am 4. November 2000. Während der Organisation hätten sie auf 300 Leute gehofft, erzählt Reißig. Es kamen 800 Unterstützer aus der Sächsischen Schweiz. Nach 900 Metern Wegstrecke stellten sich ihnen rund 100 Skinheads in den Weg. „Manche der Lehrer und Eltern, die in unserer Demo mitliefen, erkannten Schüler und Kinder unter den Rechten“, erzählt Reißig, „das hat vielen die Augen geöffnet.“ Türen hat es dem Jugendprojekt auch geöffnet: Nach der Demo sagte die Gewerkschaft Unterstützung zu und richtete der Aktion ein Büro ein. Seit 2001 wird die Aktion von civitas gefördert, einem Programm der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus in den neuen Ländern.

Von dem Geld organisieren die 30 Jugendlichen Aufklärungsveranstaltungen – sogar für die eigenen Lehrer: „Uns fiel auf, dass viele Lehrer die Symbole, die ihre Schüler auf der Kleidung tragen, nicht zuordnen können“, so Reißig. Mit Plakaten entschlüsselten sie dann unter dem Motto „Das sieht verboten aus“ rechtsextreme Symbole. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Beratung von Opfern rechter Gewalt und die Organisation von Kulturprojekten.

Im Rahmen des Wettbewerbs „Jugend übernimmt Verantwortung“ hat die Stiftung Brandenburger Tor dem Pirnaer Verein in diesem Jahr einen Sonderpreis für seine Arbeit verliehen. Nach der Preisverleihung blieb einer der Jugendlichen auf der Bühne und sagte mit Nachdruck: „Wir brauchen noch mehr Unterstützer. Die jüngsten Wahlergebnisse sind alarmierend.“ Und jetzt stehen wieder Landtagswahlen an.