Weit hinter den hehren Zielen von Kairo

Zehn Jahre nach der UN-Konferenz in Kairo zieht der Weltbevölkerungsbericht nüchterne Bilanz: Schwangerschaften kosten jährlich 529.000 Frauen das Leben, und auch bei Aids-Prävention und Gleichstellung der Frau fehlt es – vor allem an Geld

VON FRIEDERIKE KRIEGER

Zehn Jahre nachdem die UN-Konferenz über „Bevölkerung und Entwicklung“ sich in Kairo auf ein Aktionsprogramm einigte, mit dem die „reproduktive Gesundheit“ der Frauen gefördert und der Zugang zu Familienplanung erleichtert werden sollte, fällt die Bilanz eher ernüchternd aus. Zu diesem Fazit kommt der UN-Weltbevölkerungsbericht 2004, der gestern offiziell in Berlin und anderen Städten der Welt vorgestellt wurde. „Die Ergebnisse hätten erheblich besser ausfallen können, wenn die Umsetzung des Kairoer Aktionsprogramms nicht durch die mangelnde Finanzierung behindert würden“, sagte Bettina Maas, Vertreterin des UN-Bevölkerungsfonds.

Viele Länder hätten ihre Angebote an Familienplanung, Aids-Prävention und Gesundheitsversorgung erheblich verbessert, heißt es in dem Bericht. So sei seit Beschluss des Aktionsprogramms im Jahr 1994 die Anwendung von Verhütungsmitteln von 55 auf 61 Prozent gestiegen. Doch es gibt noch viel zu tun: Besonders beim Herzstück des Aktionsprogramms, der Stärkung der Stellung der Frau, gebe es noch Nachbesserungsbedarf. Seit 1994 haben zwar über die Hälfte der Länder Gesetze erlassen, um die Rechte von Frauen zu schützen, und haben die entsprechenden UN-Konventionen ratifiziert. Aber die Gesetze gegen Diskriminierung der Frauen werden häufig nicht durchgesetzt. Nur in 28 Ländern hat sich der Anteil der Frauen in der Politik erhöht. Nur 16 Länder berichten, dass die Zahl der Mädchen, die eine weiterführende Schule besuchen, zugenommen hat.

Nach wie vor sind Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt die Haupttodesursachen für Frauen in Entwicklungsländern. Sie kosten jährlich 529.000 Frauen das Leben. Da verbesserte Schwangerschaftsvorsorge in vielen Entwicklungsländern keine nennenswerte Verbesserung gebracht hat, setzt die UNO inzwischen auf eine andere Strategie. Netzwerke zwischen geschulten Hebammen und Einrichtungen für Geburtsnotfälle sollen Besserung bringen. Sri Lanka und Malaysia hätten damit die Müttersterblichkeit bereits erheblich senken können.

Auch beim Thema Aids gebe es noch großen Handlungsbedarf: Ungefähr 38 Millionen Menschen sind mit dem Virus infiziert. Jedes Jahr stecken sich weitere fünf Millionen Menschen an. Vor allem Frauen seien betroffen. Neue Studien hätten gezeigt, dass es in den Entwicklungsländern vor allem an einer sorgfältigen Analyse der Risikogruppen sowie einer Verknüpfung von Gesundheitsvorsorge und Aids-Prävention hapere.

Des Weiteren haben 201 Millionen Frauen keinen Zugang zu Verhütungsmitteln, obwohl sie verhüten wollen. „Es würde jährlich 3,9 Milliarden Dollar kosten, um den Bedarf an modernen Verhütungsmitteln zu befriedigen“, so Renate Bähr, stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. „Diese Summe, die den weltweiten Ausgaben für Krieg und Rüstung an nur zwei Tagen entspricht, könnte 23 Millionen ungewollte Geburten, 22 Millionen Abtreibungen, 1,4 Millionen Fälle von Kindersterblichkeit und 142.000 Todesfälle in Folge von Schwangerschaften verhindern.“

Doch statt zu steigen, ist die Unterstützung durch die Geberländer in den letzten Jahren zurückgegangen. Hatten sie bis zum Jahr 2005 zugesagt, den Entwicklungsländern jährlich 6,1 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen – ein Drittel der insgesamt kalkulierten Summe –, belief sich ihr Beitrag im Jahr 2003 nur auf 3,1 Milliarden Dollar. Und die Lücke zwischen Bedarf und Förderung wächst weiter: Experten schätzen, dass der Bedarf an Verhütungsmitteln in Entwicklungsländern bis 2015 um 40 Prozent steigen wird. Besonders negativ wirke sich die Haltung der USA als größtem Geberland auf die Umsetzung der Ziele von Kairo aus: Die Regierung Bush binde einen Großteil der US-amerikanischen Entwicklungshilfe an die Bedingung, Enthaltsamkeit zu predigen, statt Aufklärung und Verhütung weiter voranzutreiben. Auch der mühevoll errungene Kompromiss, dass Frauen nach einer Abtreibung medizinisch versorgt werden müssen, auch wenn ein Schwangerschaftsabbruch im entsprechenden Land illegal sein sollte, gerät wieder in Gefahr. Unsachgemäße Abtreibungen sind laut dem Bericht eine wesentliche Ursache für den Tod schwangerer Frauen.

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