Schizophrenie – verkannt und weit verbreitet

Jährlich erkranken rund 10.000 Bundesbürger an Schizophrenie. Sie werden stigmatisiert und meistens noch nach alten Methoden behandelt

In der Öffentlichkeit existieren immer noch viele Vorurteile. Schizophrenie wird häufig mit der multiplen Persönlichkeitsstörung verwechselt: Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Mit dem umgangssprachlichen „Das ist ja schizophren“ hat es ebenso wenig zu tun.

Das Stigma Schizophrenie lastet schwer auf den Betroffenen. Schizophrene Psychosen werden oft mit Gewalttätigkeit und Unberechenbarkeit gleichgesetzt, doch nur ein geringer Prozentsatz der Betroffenen wird derart auffällig. Der Blick auf die Krankheit wird verzerrt. In die Medien schaffen es einige wenige Kranke, die spektakuläre Taten begehen, wie das Attentat auf die schwedische Außenministerin Lindh.

Ein Prozent der deutschen Bevölkerung, nahezu 800.000 Erkrankte, leiden an den Psychosen des so genannten schizophrenen Formenkreises, die wissenschaftliche Bezeichnung für Schizophrenie. Unabhängig von Geschlecht, Alter, sozialem Status und Kulturkreis. Deutschland liegt damit im internationalen Durchschnitt.

Zeichen der Erkrankung teilen sich in so genannte Positiv- und Negativsymptome (weil oft nicht wahrgenommen). Positivsymptome sind Verfolgungswahn, Halluzinationen oder Ich-Störungen. Der Betroffene fühlt sich wie eine Marionette und empfindet nicht nur sein Denken, sondern auch sein Handeln und Fühlen als von außen gesteuert.

Am häufigsten sind akustische Halluzinationen in Form des Stimmenhörens. Emotionaler Rückzug, Apathie und fehlender Antrieb gehören zu den Negativsymptomen. Alle Zeichen treten einzeln oder in Kombination auf und in unterschiedlicher Intensität. Fast ein Drittel der Betroffenen kann geheilt werden. Die anderen zwei Drittel müssen nach einer Erkrankungsphase früher oder später mit einem Rückfall rechnen. Sie leiden unter dem „Drehtür-Verlauf“ ihrer Krankheit und müssen immer wieder stationär behandelt werden. Für alle Patienten gilt: Sie sind Wahrnehmungsgenies und reagieren übersteigert auf emotionale Reize.

Die genauen Ursachen der Erkrankung sind nicht endgültig erforscht, ein Ausbruch ist durch das Zusammentreffen mehrerer Faktoren bedingt. Eine entscheidende Rolle aber spielt Dopamin, ein chemischer Botenstoff, der Nervensignale im Gehirn weiterleitet. Weiterhin sind die genetische Disposition, aber auch Schädigungen des Gehirns im Mutterleib sowie krisenhafte Lebensereignisse – Stress oder Tod eines Angehörigen – Gründe für die Krankheit.

Wurde die Schizophrenie als Auslöser von Psychosen festgestellt, wird sie medikamentös und psychosozial behandelt. Antipsychotika werden seit Mitte der 50er-Jahre eingesetzt. Diese Medikamente lindern die psychotischen Symptome der Schizophrenie. Sie sind jedoch nicht in der Lage, sicherzustellen, dass nie wieder psychotische Episoden auftreten.

Starke Nebenwirkungen erschweren oft die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Neue Antipsychotika (atypische Neuroleptika) könnten, wenn auch nicht frei von Nebenwirkungen, eine bessere Lebensqualität bescheren. Aus Kostengründen werden sie jedoch seltener eingesetzt. Hier liegt Deutschland weltweit deutlich unterhalb des Durchschnitts. SABINE HENSSEN