Islam-Kongress gibt Schily Rätsel auf

Der Innenminister will den arabisch-islamischen Kongress in Berlin verhindern. Dies verlangen auch jüdische Organisationen. Doch über die Teilnehmer ist wenig bekannt. Experten warnen davor, Märtyrer zu produzieren

BERLIN taz ■ Die Politik hat sich beeilt, aufzuschreien. Der „Erste Arabisch-Islamische Kongress Europas“, der für Anfang Oktober in Berlin geplant ist, soll verboten werden. „Ich werde alles daransetzen, dass dieser Kongress nicht stattfindet“, reagierte Bundesinnenminister Otto Schily auf die öffentliche Diskussion.

Die Konferenz soll vom 1. bis 3. Oktober mit 500 bis 800 internationalen Teilnehmern an einem bisher geheimen Ort in Berlin-Charlottenburg stattfinden. „Wir wollen, dass die Öffentlichkeit die Wahrheit über die Besetzung Palästinas und Iraks erfährt“, so der Sprecher der Organisatoren, Gabriel Daher. 15 Arbeitsgruppen sollen etwa über „zionistische Terrorbanden“ und den „Widerstand gegen die Tyrannei der USA“ diskutieren. Zudem soll eine europäische Dachorganisation zur Vertretung muslimischer Interessen gegründet werden.

Inwieweit das Treffen tatsächlich islamistisch und damit radikal zu nennen ist, ist trotz der brachialen Rhetorik des Aufrufs fraglich. Sogar Schilys Ministerium gibt zu, dass es bisher noch „keine umfassenden Informationen über die Ziele der Organisatoren und beteiligten Personen“ hat. Tatsächlich sind 137 Personen und Gruppierungen auf der Teilnehmerliste nicht eindeutig religiös oder politisch einzuordnen. Da ist beispielsweise Jamal Karsli (Eintrag 29), ein arabischer Nationalist, der in der Möllemann-Affäre eine Rolle spielte. Außerdem Ibrahim Aloush, jordanischer Journalist und Holocaust-Leugner. Sowie Sabah al-Muhktar (Eintrag 37), ein irakischer Anwalt aus Großbritannien, der die Leichenschändung an US-Soldaten als „Widerstand“ bezeichnete. Aber auch unterschiedliche linke Gruppierungen haben sich angemeldet. Als Schlüsselfigur spielt sich „general coordinator“ Fadi Madi auf. Auf einer Pressekonferenz in Beirut vor zwei Tagen warb der Libanese für die Konferenz in Deutschland. „Jedes Mittel, das im Widerstandskampf nach den internationalen Bestimmungen rechtmäßig ist, akzeptieren wir“, sagte er Spiegel-Online betont verfassungstreu. Claudia Dantschke vom Zentrum Demokratische Kultur in Berlin hält Fadi Madi für nicht ernst zu nehmen. Er setze vor allem „absurde Parolen“ in die Welt.

Die Konferenz jedoch „ist nicht harmlos“, sagte Dantschke der taz. Sie attestiert den Organisatoren „diffuse Feindbilder“, die sowohl „panarabisch“ als auch „panislamisch“ zu nennen sind. „Es ist nicht auszuschließen, dass junge Muslime weiter radikalisiert werden“, warnt Dantschke. Organisator Daher wehrt sich: „Der Kongress hat nichts mit Islamisten und Extremisten zu tun“, sagte er.

Publik geworden sind die Konferenzpläne erst durch das Simon Wiesenthal Center. In einem Brief forderte deren Direktor für internationale Beziehungen, Shimon Samuels, Schily auf, die Veranstaltung zu verbieten. „Das ist eine Bedrohung von islamistischem Fundamentalismus für die deutsche Demokratie“, sagte er der taz. Es könne nicht im Interesse der Regierung sein, eine Veranstaltung zuzulassen, die für Selbstmordattentate wirbt und Geld für Terroristenn eintreibt, so Samuels.

„Formal ist ein Verbot sehr einfach“, sagte der Verfassungsrechtler Ulrich Battis. Bedingung ist laut Gesetz, dass die Veranstalter „einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben“. Dazu könnten die einschlägigen Websites wohl ausreichen.

Dantschke spricht sich indes gegen ein Verbot des Kongresses aus. „Das würde die Organisatoren erst recht zu Märtyrern machen“, sagte sie. Ohnehin hätten die Planungen erst durch den Medienwirbel einen Aufschwung erfahren. Bis letzte Woche sei die Konferenz noch „fiktiv“ gewesen. INES KURSCHAT
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