Kongress für Islamisten – oder Witzbolde

Experten halten Islamkongress für einen Witz. Die Veranstalter seien „verrückt“, heißt es. Das Simon-Wiesenthal-Center fordert indes moderate Muslime zu einem Gegenkongress auf. Grüne: Verfassungsschutz hat Informationen zurückgehalten

Auf der Teilnehmerliste im Internet stehen viele fiktive Namen

VON SASCHA TEGTMEIER
UND INES KURSCHAT

Die per Internet verbreitete Ankündigung eines „Ersten arabisch-islamischen Kongresses Europas“ in Berlin bleibt weiter mysteriös. Das Simon-Wiesenthal-Center (SWC), das die Kongresspläne durch einen Brief an Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) publik machte, fordert eine Gegenveranstaltung – falls aus einem Verbot nichts wird.

„Ich rufe die moderaten Muslime dazu auf, einen offenen Kongress als Gegenpol zu organisieren“, sagte Shimon Samuels vom SWC der taz. Der Zentralrat der Muslime (ZMD) distanziert sich zwar von dem Kongress, will jedoch keine Gegenveranstaltung. „Es gibt genügend rechtliche Mittel, um auf die Konferenzpläne zu reagieren“, sagte ZMD-Sprecher Mounir Azzaoui. Zudem seien die Veranstalter Unbekannte. „Das Ganze könnte eine Luftblase sein“, so Azzaoui.

Dieser Meinung sind auch zahlreiche Beobachter der muslimischen Szene. Der Orientalistikprofessor Holger Preißler etwa: „Hier wird etwas hochgepuscht, das wohl gar nicht bedeutsam ist“, sagte er der taz. Der libanesische Migrationsexperte Ralph Ghadban geht noch weiter. „Der Kongress ist ein Witz“, sagte er. Ghadban kennt einen der Veranstalter, Gabriel Daher, „seit der Studentenzeit.“ „Der ist doch völlig verrückt“, sagt Ghadban.

Daher ist tatsächlich eine skurrile Figur. Nach eigenen Angaben lebt der Libanese seit 26 Jahren in Berlin, hat Elektrotechnik studiert – und ist Christ. Ghadban glaubt angesichts solcher Organisatoren nicht, dass der Kongress überhaupt stattfinden wird. Viele Namen auf der Unterstützerliste klingen zudem fiktiv, so Ghadban.

Auf der Liste stehen palästinensische Vertreter aus Dänemark und Kuba. „Keine Ahnung, wer das sein soll“, wundert sich Claudia Dantschke vom Zentrum für Demokratische Kultur. Auch angebliche Unterstützer, die nachweislich existieren, nehmen von dem Kongress Abstand. Er habe „absolut nichts damit zu tun“, sagt Jamal Karsli der taz.

Ebenfalls als Unterstützer gelistet ist die Vereinigung Palästinensischer Ärzte in Deutschland. Ihr Präsident Ali Maarouf betont jedoch, „von Anfang an gegen den Kongress“ gewesen zu sein. Maarouf erwägt nun juristische Schritte gegen die Veranstalter. Die Unterstützer hätten es sich eben „anders überlegt“, erklärt Organisator Daher lapidar. Am Montag will er im Internet die aktualisierte Teilnehmerliste veröffentlichen.

Bisher hat der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) „keine Erkenntnisse darüber“, dass der Kongress ein „Sammelbecken für Terroristen“ wäre. Der Fraktionsvorsitzende der Berliner Grünen, Volker Ratzmann, glaubt hingegen, der Verfassungsschutz wisse mehr, als er zugibt. „Diese Geheimniskrämerei ist schuld daran, dass sich alle in Mutmaßungen verstricken“, sagte er. Am kommenden Montag werden die Mitglieder des Sicherheitsausschusses informiert.

Innenminister Otto Schily möchte derweil den Kongress verbieten: „Wenn es bei dem Programm bleibt, das im Internet steht, dann darf das nicht stattfinden.“ Sollten die Beweise für ein Verbot nicht ausreichen, würde er „andere Möglichkeiten finden, die Veranstaltung zu unterbinden“, sagte Schily gestern.

Das Auswärtige Amt werde Ausländern die Einreise verweigern, die als Reisezweck den Besuch der Konferenz angeben, so dessen Sprecher Walter Lindner. Das würde laut Wiesenthal-Center nichts bringen. „Die Teilnehmer haben längst ihre Visa“, sagte er. Zudem würden sie nicht direkt nach Deutschland einreisen –sondern über ein anderes Schengen-Land.