Regierung rettet die Versicherungen

Die rot-grüne Koalition will die Spekulationslöcher in den Bilanzen der Assekuranz ausbügeln, indem sie das Steuerrecht ändert. Finanzminister Hans Eichel verzichtet damit auf mehr als fünf Milliarden Euro. Am Freitag entscheidet der Bundestag

aus Hamburg HERMANNUS PFEIFFER

Die Bundesregierung will die Bilanzen der Versicherungswirtschaft aufbessern. Trotz eines Rekordes bei den neuen Staatsschulden dürfte sich der Bundestag am Freitag für eine zumindest auf dem Papier milliardenschwere Steuersubvention entscheiden.

Die Börsenbaisse hat die Bilanzen der Sicherheitsbranche trotz eines Rekordumsatzes von 140,8 Milliarden Euro arg gebeutelt. Laut Expertenmeinung will die Bundesregierung nun einen Steuernachlass für 2003 von fünf bis zehn Milliarden Euro gewähren. Dazu soll rückwirkend zum 1. Januar das „Halbeinkünfteverfahren“ zumindest für Lebens- und Krankenversicherer aufgehoben werden. Seinen Spitznamen hat das Steuerpaket 2000, weil seither nur noch die Hälfte der Einnahmen aus Dividenden versteuert werden. Aber im Mittelpunkt stand eigentlich die Steuerbefreiung von Gewinnen aus dem Verkauf von Aktien und Aktienfonds. Anderseits senken seither Verluste nicht mehr die Zahlungen an den Fiskus. Die rot-grüne Bundesregierung hoffte auf eine Entflechtung der Deutschland AG und tatsächlich machten vor allem Banken und Industriekonzerne Kasse, in dem sie alte, nutzlose Beteiligungen verscherbelten.

Leidtragende waren jedoch die Versicherungen, denn kurz nach der Reform gingen die Aktienkurse in den Keller, und statt steuerfreie Kursgewinne zu erzielen, ärgerten sich Lebens- und Krankenversicherer über verhagelte Bilanzen.

Eine Neuregelung würde die Ergebnisse der Versicherer in diesem Jahr schlagartig verbessern, durchaus zum Frommen der Versicherten. Vor allem die Münchener Rück könnte von der Neuregelung der Besteuerung mit etwa 750 Millionen Euro profitieren, berichtet die Financial Times. Nach der neuen Rechtslage hätte der Konzern sogar einen leichten Gewinn erzielt – den er versteuern müsste. Auch andere Versicherer mit hohen Verlusten aus Aktienspekulationen würden von der Gesetzesänderung profitieren, wie die Allianz, Aachener-Münchener/Generali und die Allianz-Tochter Axa.

Berichte über die geplante Entlastung von Lebens- und Krankenversicherern hat das Bundesfinanzministerium bestätigt. Eine entsprechende Entscheidung des Finanzausschusses wurde für den gestrigen Montag nach Redaktionsschluss erwartet. Die Regelung könnte am Freitag vom Bundestag beschlossen werden. Der Bundesrat hat Zustimmung signalisiert.

Die Versicherungsbranche hält die genannten Zahlen von fünf oder zehn Milliarden Euro für „Unfug“, so Verbandssprecherin Gabriele Hoffmann gegenüber der taz. Tatsächlich würden die Unternehmen auch nach dem jetzigen Recht zusehen, dass sie in 2003 gar keine Steuern zahlen. Trotzdem würde der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) die Änderung begrüßen, schließlich fordert er „eine Besteuerung nach Leistungsfähigkeit“.

Diese könnte die Branche allerdings noch teuer zu stehen kommen. Denn das eigentliche Versicherungsgeschäft läuft kernig und auch die Börsen haben in diesem Jahr teilweise kräftig angezogen. Andererseits hat der Wegfall der Abschreibungsmöglichkeiten von Kursverlusten die Bilanzen vor allem kleinerer Gesellschaften in eine arge Schieflage gebracht. Die Bundesregierung will dann auch mit ihrem Steuergeschenk – auch wenn es sich hauptsächlich wohl nur um virtuelle Bilanzkosmetik handelt – vor allem die Gefahr verringern, dass nach der Mannheimer Lebensversicherung weitere Gesellschaften wegen des Börsencrashs kollabieren. Zugleich offenbart die rot-grüne Bundesregierung einen Hang zur Steuerpolitik nach Börsenlage.