Vertrauensvolles Desinteresse

William Forsythe und der Sparzwang: Wie Frankfurt am Main gerade ein mögliches kulturpolitisches Modell vergeigt

Fast. Immerhin. Fast ein Wunder. Nachdem die Stadt Frankfurt im Frühling vergangenen Jahres ihrem bekanntesten Kulturaushängeschild, dem Choreografen William Forsythe, erst den Stuhl vor die Türe stellte, dann – überrascht vom weltweiten Aufschrei – doch erst mal mit ihm reden wollte, Forsythe aber inzwischen selbst die Schnauze voll hatte. Über Geld hätte man reden können, aber nicht über den Vertrauensbruch der Politiker aller Parteien des Frankfurter „Viererbündnisses“ mit Ausnahme der Grünen.

Abgetaucht waren sie allesamt, die sonst so stolz-vertraut „Billy“ sagen. Zehn Tage stand die Abschaffung des Balletts im Raum, zehn Tage kein Wort von CDU, SPD und FDP. Und nicht vom Kulturdezernenten. Zehn Tage, die der Grund dafür waren, dass Forsythe an die Möglichkeit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht mehr glaubte.

Und dann schien das Unwahrscheinliche zu passieren: Forsythe signalisierte das Interesse an einer eigenen, selbstständigen Kompanie, machte Andeutungen, er könne sich vorstellen, zumindest teilweise auch in Frankfurt zu bleiben. Eine Initiative aus der Wirtschaft wurde gestartet, die Stadt Dresden und das Land Sachsen wollten den Choreografen unbedingt ans Festspielhaus Hellerau holen, der neue hessische Minister für Wissenschaft und Kunst Udo Corts (CDU) engagierte sich. Und alle waren bereit, dafür richtig Geld zu investieren. In Zeiten des Sparens ein Modell: eine freie Kompanie, finanziert aus verschiedenen öffentlichen Töpfen. Schlank, kostengünstig, beweglich. Nun war Frankfurt am Zuge. Die Oberbürgermeisterin in ihrem Hang zu großen repräsentativen Gesten gab ihr Jawort. Nur: zu was?

200.000 Euro soll die Stadt jährlich geben, dazu käme unter anderem die Nutzung des Bockenheimer Depots. Alles in allem an die 600.000 Euro. Wie das in den Haushalt passen könnte, ist allerdings ein Problem. Ein noch größeres ist die Rechtssituation: Eine Beteiligung an der Kompanie könnte arbeitsrechtliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Dann wären ungefähr weitere anderthalb Millionen jährlich fällig.

Schwerwiegende Probleme, allerdings. Lösbare? Allerdings. Doch der autistisch agierende Kulturdezernent Berhard Nordhoff (SPD) hat längst alle Hausmacht verspielt. Und die OB Petra Roth, die zwar gerne die Kulturpolitik vollmundig an sich reißt, hat letztlich weder Zeit noch Lust sich ausreichend zu kümmern. So wurde das Rechtsgutachten viel zu spät eingeholt : Erst einen Tag vor der geplanten Unterzeichnung des Vorvertags sah das Viererbündnis so viele ungelöste Probleme, dass es kurzerhand den Mut verlor und die Beteiligung zurückzog.

Aber so richtig interessiert war man wohl ohnehin nicht. Eine bemerkenswerte Initiative aus Sachsen, Dresden und Hessen – und ein bemerkenswertes Desinteresse in Frankfurt. Ein Vertreter aus Frankfurt reiste zur Verkündung der Absichtserklärung der anderen Partner am Dienstag in Dresden gar nicht erst an. Eine offizielle Stellungnahme blieb aus.

FLORIAN MALZACHER