Kein Provinzpösschen

Der Bürgermeister von Bad Oldesloe boykottiert eine Lokalzeitung – im Stadtrat regt sich Widerstand

Ja, sagen fast alle, die man fragt, ja, Bad Oldesloe sei schon Provinz. Aber diese Angelegenheit, die sei trotzdem kein Provinzpösschen. „Die Sache ist ernst“, sagt Gerold Rahmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bad Oldesloer Stadtverordnetenversammlung. Und für Hagen von Massenbach, Rahmanns SPD-Pendant, ist es gar „eine riesengroße Dummheit“, worüber die taz am 16. März berichtete: Der parteilose Bürgermeister Tassilo von Bary hat die Angestellten der Stadt per Dienstanweisung dazu verdonnert, das Stormarner Tageblatt (ST), eine der drei in Bad Oldesloe erscheinenden Tageszeitungen, „aus gegebenem Anlass […] bis auf Weiteres […] nicht mehr mit Informationen [zu] bedienen“. Der gegebene Anlass ist eine für das Empfinden von Barys allzu kritische Berichterstattung des ST.

Ein Postfach im Rathaus, wo Sitzungsunterlagen und andere Informationen für die Redakteure bereitlagen, wurde daher bereits abgeschafft. Einladungen zu Presseterminen werden nur noch über das Vorzimmer des Bürgermeisters verschickt – aber nicht an das Stormarner Tageblatt. Auch die Gleichstellungsbeauftragte weigerte sich, dem ST eine Namensliste von Tagesmüttern, die eine Prüfung bestanden hatten, bereitzustellen.

„Es könnte sein, dass die Zeitung die Stadt wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes verklagt“, sagt Heiko Vosgerau, Pressesprecher der FDP-Fraktion. Die FDP reicht daher, mit Unterstützung von SPD und Grünen, in der heutigen Stadtratssitzung einen Antrag ein, dessen Ziel eine öffentliche Missbilligung des Verhaltens von Barys ist. Die CDU wird sich wohl enthalten. „Das ist eine Sache zwischen dem Bürgermeister und der Zeitung. Die müssen schauen, wie sie die Kuh vom Eis kriegen“, umschreibt CDU-Mann Heinz Drenkberg die Stimmung in seiner Fraktion. „Die Pressefreiheit ist doch nicht bedroht.“

Auch wenn Letzteres wohl stimmt – von Bary und seine Abteilungsleiter beantworten nach eigener Auskunft weiterhin Presseanfragen –, ist die Angelegenheit ganz so lapidar dann doch nicht. In einem ähnlichen Fall hat der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen bereits 1996 entschieden, dass Publikationen, egal ob monatlich erscheinende Anzeigenblätter oder Tageszeitungen, nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Tun die Behörden das doch, verstoßen sie unter anderem gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. Das schleswig-holsteinische Innenministerium hat den Fall als Kommunalaufsicht ebenfalls auf dem Schirm: „Die Frage, ob ein presserechtlicher Verstoß vorliegt, wird noch zu prüfen sein.“

Von Bary bereitete sich indes auf die Sitzung mit intensivem Gesetzesstudium vor: „Ich sehe dem Antrag gelassen entgegen“, sagt er. Notfalls müsse er das ST eben wieder mit Informationen beliefern. Dabei findet er die Aufregung „recht plakativ“ – schließlich erscheine das ST im selben Verlag wie das Anzeigenblatt Blickpunkt, welches weiterhin Informationen erhalten hatte. Von Bary hofft auf ein klärendes Gespräch mit dem Chefredakteur des ST: „Damit sich das Verhältnis wieder normalisieren kann.“ DOMINIK SCHOTTNER