Bundesregierung verschenkt Milliarden

Viele Versicherer sind zwar marode, aber für eine staatliche Rettungskampagne besteht kein Grund

HAMBURG taz ■ Die rot-grüne Bundesregierung hat die Armen im Lande entdeckt – bei den Versicherungsunternehmen. Mit dem Hinweis auf die Pleite der Mannheimer Lebensversicherung versucht die Koalition, eine möglicherweise milliardenschwere Steuererleichterung für Lebens- und Krankenversicherungen heute im Bundestag durchzuboxen. Danach sollen Versicherer Kursverluste wieder voll steuerlich geltend machen dürfen, müssen aber im Gegenzug Aktiengewinne versteuern.

„Wir wollen in diesem Winter nicht weitere Mannheimer-Fälle erleben“, sagt SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler. Während einer Sondersitzung der Fraktion am Mittwochabend haben Fraktionsspitze und Finanzministerium einige Zweifler unter den SPD-Abgeordneten auf Linie gebracht. Der Bundestag soll heute wie geplant zustimmen.

Die Versicherungen haben tatsächlich mit Problemen zu kämpfen. In der erfolgreichen Wachstumsbranche dürfte sich bald die „Spreu vom Weizen trennen“, nimmt der Informationsdienst „Versicherungsjournal“ an. Und auch Manfred Poweleit, Chef des renommierten Fachblatts MAP-Report, sinniert: „Bei mehreren Unternehmen stellt sich inzwischen die Frage nach der Überlebensfähigkeit.“ Die Ursache liegt in hausgemachten Fehlern. So wurde der langfristige Aufwärtstrend der Aktie seit 1982 oft zu spät erkannt. Als deutsche Topmanager dann verspätet auf den Zug aufsprangen, taten sie dies viel zu schnell – um nach 2000 auch zu spät wieder auszusteigen. Allein für das Jahr 2002 entstanden Anlageverluste von 51 Milliarden Euro.

Die Rating-Agentur Fitch machte unter den über 130 Lebensversicherungen zwanzig mit schwächelndem Eigenkapital aus. Wer deutlich unter 100 Prozent der geforderten Kapitalausstattung bleibt, stehe zwar nicht unmittelbar vor der Insolvenz, aber „das weist auf Schieflagen hin“, erklärt Fitch-Analyst Marco Metzler. Als heikel gelten danach auch namhafte Konzerne wie Aachener-Münchener (92 Prozent), Deutscher Herold (75), Gothaer (63) und Victoria (27).

Das bedeutet aber noch nicht, dass der Staat einspringen müsste. Schon in der Vergangenheit wurden marode Firmen still und leise von kapitalstarken Versicherern übernommen. Seit einem Jahr steht zudem die Auffanggesellschaft Protektor für Notfälle bereit. „Die starken Versicherungen schützen die schwachen“, beruhigte der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) besorgte Kunden seinerzeit. H. PFEIFFER