Besonders heiß

Der VfB Stuttgart schlägt Leverkusen 3:0 und revanchiert sich für die entgangene Champions-League-Teilnahme

STUTTGART taz ■ Rache kann weh tun, und wie schmerzlich sie sein kann, bekamen die Kicker von Bayer Leverkusen am Samstag in Stuttgart deutlich zu spüren: In der letzten Saison hatten sie den VfB ausgerechnet im letzten Spiel die Teilnahme an der Champions League vermasselt, nun, am sechsten Spieltag der aktuellen Runde, mussten sie einigermaßen teuer dafür bezahlen: 3:0 gewannen die Schwaben, die damit dichteste Tuchfühlung zu Überraschungstabellenführer Wolfsburg hielten, während Leverkusen auf den sechsten Rang abrutschte und mit weiterhin acht Punkten zumindest in der Bundesliga derzeit nicht mehr ist als: Mittelmaß.

„Wir haben die erste Halbzeit total verschlafen. Es war typisch, dass wir die zwei Tore aus Standardsituationen heraus kassiert haben. Uns fehlte die Entschlossenheit und Überzeugung, in Stuttgart etwas holen zu können. Meine Enttäuschung ist groß, denn wir hatten uns viel vorgenommen, aber wir sind nicht als Mannschaft aufgetreten. Vielleicht haben uns die tollen Spiele gegen Real Madrid und Bayern München nicht gut getan“, beurteilte Bayer-Trainer Klaus Augenthaler, der sich von seiner Mannschaft eigentlich ein schöneres Geschenk zu seinem 47. Geburtstag am Sonntag gewünscht hätte, den schwächlichen Auftritt seiner Elf. Doch was gegen den FC Bayern und Real Madrid den Erfolg der Leverkusener gebracht hatte, das fehlte am Samstag gegen den VfB fast gänzlich: Konzentration und Aggressivität. Da auch die Abwehr um Torhüter Jörg Butt sich zeitweise eine Auszeit genommen hatte, wurde das Spitzenspiel ziemlich bald zu einer recht einseitigen Angelegenheit.

Zumal die Stuttgarter ihr Tagwerk derzeit mit ziemlich breiter Brust versehen – und speziell gegen Leverkusen auch mit ein bisschen Wut im Bauch. „Die Vorgabe war, aggressiv zu spielen und nicht so aufzutreten wie Real Madrid in der Champions League gegen Leverkusen, denn sonst hätten wir keine Chance gehabt. So aber hat sich einmal mehr gezeigt, dass es nicht einfach ist, in Stuttgart zu gewinnen. Wir haben erst letzte Woche noch darüber diskutiert, dass Bayer in der Champions League gegen Real gespielt hat, obwohl wir es eigentlich verdient gehabt hätten. Deshalb war auch jeder von uns heute ganz besonders heiß auf dieses Spiel“, erklärte Torschütze Silvio Meißner den deutlichen Vorteil der Schwaben. Und selbst VfB-Trainer Matthias Sammer wirkte angesichts der Leistung seiner Mannschaft sanfter als sonst. „Ja, ich bin jetzt auch ein klein wenig stolz“, sagte der VfB-Trainer.

Was Sammer auch sein kann, denn einen zweiten Tabellenplatz hätte den Schwaben zu Saisonbeginn, zumal nach dem Weggängen von Spieler Marcelo Bordon und Trainer Felix Magath, nur die wenigsten zugetraut. Was viele zudem überrascht: Die Mannschaft präsentiert sich als geschlossene Einheit. Fällt ein Stammspieler verletzungsbedingt aus, springt sofort ein anderer für ihn in die Bresche. So stehen die Stuttgarter trotz des seit Wochen fehlenden Abwehrchefs Fernando Meira so sicher wie im Vorjahr, und auch die verletzungsbedingte Auszeit von Kevin Kuranyi macht sich bisher kaum bemerkbar. Vielmehr: Denn der VfB hat plötzlich Alternativen. So lässt die neu gebildete Innenverteidigung mit Markus Babbel und Martin Stranzl die Null stehen, und wenn es bei den Schwaben-Stürmern mal nicht so läuft, ist auch die Defensive neuerdings für Tore gut. So kamen Lahm (12.) und Stranzl (42.) jeweils zu ihren ersten Saisontreffern. Tor Nummer drei steuerte in der Nachspielzeit Meißner per Foulelfmeter bei.

Was dazu führte, dass Hans-Jörg Butt seine Leverkusener dazu aufforderte, „so schnell wie möglich die Kurve“ zu kriegen und etwas ändern zu müssen. Dass sie prinzipiell zu Besserem in der Lage sind, haben sie bereits bewiesen. Es erneut zu tun, bietet sich am Dienstag im Champions-League-Spiel bei Dynamo Kiew die Gelegenheit. Um die Schwaben muss man sich derweil schon gar keine Sorgen machen. Denn obwohl Matthias Sammer am Samstag ein „bisschen stolz“ war auf die Seinen, wird er durchaus dafür sorgen, dass in Stuttgart niemand abhebt. PETER-MICHAEL PETSCH