„Prestige“-Öl fließt weiter ins Meer

Eigentlich wollte Spanien das Öl der untergegangenen „Prestige“ in diesem Jahr bergen. Nach monatelangen Experimenten wird die Aktion wegen schlechtem Wetter nun auf das Frühjahr verschoben. Bis dahin gelangt jeden Tag eine Tonne Öl ins Meer

aus Madrid RAINER WANDLER

Die Menschen an Spaniens Nordwestküste müssen weiter bangen. Das Öl aus dem im November 2002 gesunken Wrack des Tankers Prestige wird erst im nächsten Frühjahr geborgen und nicht wie versprochen noch in diesem Jahr. Das gestand der Sonderbeauftragte der spanischen Regierung, Rodolfo Martín Villa, jetzt ein. Nach monatelangen Experimenten funktioniere die vom spanischen Erdölkonzern Repsol erfundene Methode mittlerweile zwar „perfekt“. Das Wetter werde aber zusehends schlechter. Deshalb muss das Wrack auf mildere See im nächsten Frühjahr warten.

Repsol hat in über 3.000 Meter Tiefe ein Loch mit einem Durchmesser von 70 Zentimetern in eines der beiden Wrackteile gebohrt. Danach wurde ein Flansch mit einem Behälter aufgesetzt, in den das Öl hineinsteigt. Die Methode kommt erstmals zum Einsatz. Noch immer befinden sich in den beiden Wrackteilen über 35.000 der einst 77.000 Tonnen Schweröl. Obwohl die Lecks bereits vor Monaten mit Hilfe eines Mini-U-Bootes abgedichtet wurden, fließt täglich etwa eine Tonne Öl ins Meer. Immer wieder werden sogenannte Kekse – kleinere und größere Ölklumpen – an der Küste Galiciens und im Golf von Biskaya angeschwemmt.

Martín Villa gab auch erstmals bekannt, wie viel das Tankerunglück die spanischen Steuerzahler gekostet hat. Für die Schleppaktion des leckgeschlagenen Tankers auf hohe See sowie die Küstenreinigung wurden insgesamt 650 Millionen Euro ausgegeben. Weitere 50 Millionen wird die Bergung des verbleibenden Öls durch Repsol kosten. Knapp 9 Millionen Euro schoss die EU zu.

Die Streit um das Unglück ist für die spanische Regierung noch nicht ausgestanden. Es geht darum, ob es damals nicht besser gewesen wäre, den angeschlagenen Tanker in einen Hafen zu schleppen, statt ihn auf offener See seinem Schicksal zu überlassen. Jetzt wird das Europaparlament den Fall „Prestige“ untersuchen. Das beschlossen die Parlamentarier Ende September gegen die Stimmen der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die in Spanien regierenden Konservativen angehören.

Ministerpräsident José María Aznar sieht die bevorstehende Untersuchung nicht gern. Deshalb schickte er vor einer Woche seine Außenministerin Ana Palacio nach Brüssel. Sie versuchte Druck auf die Liberalen auszuüben, damit diese zusammen mit der EVP im Parlamentsausschuss das Arbeitsgebiet auf die künftige Verhinderung von Tankerunglücken einschränken, anstatt nach der Verantwortung im Falle Prestige zu suchen.