Real in Büchern

Poet und Gourmet, Kommunist und Essayist: Zum Tod des spanischen Schriftstellers Manuel Vázquez Montalbán

Soeben hatte er wieder einmal einen Krimi mit seiner Romanfigur Pepe Carvalho beendet. Und wieder einmal hatte er gesagt, dieses zweibändige Werk solle das letzte sein über den katalanischen Privatdetektiv, der sich als Figur längst verselbstständigt hatte. Nun hat Pepe Carvalho, den Manuel Vázquez Montalbán schon so oft sterben lassen wollte, seinen Autor überlebt. Auf der Rückkehr von einer Vortragsreise in Australien erlag der spanische Schriftsteller im Alter von 64 Jahren im thailändischen Bangkok einem Herzinfarkt.

Wie jedem guten Krimiautor diente auch Vázquez Montalbán der Kriminalroman als Vehikel, um die Gesellschaft, in der er lebte, kritisch zu beschreiben. Sein Pepe Carvalho, wie der Autor einst Kommunist, ermittelte in „Mord im Zentralkomitee“ sogar in der Kommunistischen Partei Spaniens und machte dort die Intrigen und Ränke einer in sich zerstrittenen Linken sichtbar. Carvalho hatte die typische gebrochene Biografie eines Linken, der den Glauben an die Utopie einer besseren Gesellschaft verloren hat. Zeitweise arbeitete er als Agent der CIA, was Montalbán die Möglichkeit gab, auch die Machenschaften der international agierenden Geheimdienste in seinen Romanen darzustellen.

Die mehr als 20 Bücher um den Privatdetektiv, der seinen Kamin mit Büchern beheizt, wurden in 24 Sprachen übersetzt. Ob er in die Geschichte der Literatur oder der Trivialliteratur eingehe, sei Carvalho schnurzegal, erklärte Vázquez Montalbán einmal. Mit seinen Bücherverbrennungen wolle sich der Detektiv dafür rächen, „wie wenig sie ihn zu leben gelehrt und wie weit sie ihn von einer spontanen, begeisterungsfähigen Beziehung zur Wirklichkeit entfernt haben“.

Vázquez Montalbán war ein wacher, meinungsfreudiger Beobachter seiner Gesellschaft und ein unermüdlicher Schreiber. Pro Jahr veröffentlichte er bis zu drei neue Bücher. Sein Schriftstellerkollege Manuel Vicent behauptete einmal, er lasse an vier oder fünf Computern gleichzeitig schreiben. In der Tat bestätigte er, stets mehrere Bücher gleichzeitig zu diktieren.

Manuel Vázquez Montalbán war eine der markantesten Stimmen des demokratischen Spanien: In seinen wöchentlichen Kolumnen in El País kommentierte er die aktuelle spanische Politik, und seine Essays über das franquistische Spanien und über den Übergang des Landes zur Demokratie sind Schlüssel zum Verständnis des modernen Spanien. In den Sechzigern trat der 1939 in Barcelona geborene Autor erstmals als Journalist und Dichter in Erscheinung. Während des Franquismus engagierte er sich im Untergrund in der Sozialistischen Katalanischen PSUC gegen die Diktatur. Wegen Unterstützung eines Bergarbeiterstreiks wurde er für zwei Jahre inhaftiert und mit Schreibverbot belegt. Obwohl er später aus der Kommunistischen Partei austrat, blieb Vázquez Montalbán ein politischer und ein linker Autor: In „Die Autobiografie des General Franco“ versuchte er, eine Innensicht des Franquismus zu skizzieren; in „Das Spiel der Macht“ setzte er dem vergessenen baskischen Republikaner Jesús de Galíndez ein Denkmal, der im Exil gegen die spanische Diktatur arbeitete und auf Betreiben der franquistischen Polizei in der Dominikanischen Republik gefoltert und getötet wurde.

Wie sein Alter Ego Pepe Carvalho war Vázquez Montalbán ein leidenschaftlicher Gourmet, der die deftige spanische Küche liebte und ihren einfachen Gerichten in seinen Büchern ein Denkmal setzte. Scharf griff er die Pfuscher an, die diese Küche vor allem in den Touristenkneipen durch minderwertige Produkte ruinierten. Kochkunst, schrieb er einmal, sei „eine Metapher für die Kultur überhaupt“ und „für ihren heuchlerischen, verlogenen Inhalt“. DIEMUT ROETHER