Jenny Zylka

Wie ich einmal fast Praktikantin bei der Regierung einer Weltmacht geworden wäre

Es war Anfang 1997. Ich hatte mein Praktikum bei der Wort-Zeitung gerade abgeschlossen und fühlte mich zu Höherem berufen. Wort war mir zu politisch, zu wenig boulevardesk, meine grenzenlose Fantasie und mein Interesse für bunte Themen kamen dort zu kurz. Zufällig geriet mir eine Stellenanzeige in die Hände, die das „Squatted Square“, der Sitz der Machtzentrale eines weit entfernten Landes, aufgegeben hatte: „Praktikantin gesucht“. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde ich ins „Black Manson“ geladen, hier residierte der Präsident des Landes. Clint Billton war ein smarter Mann, Typ „Sporty Spice“. Er trug mit Vorliebe Hemden der Marke „Boss“ und summte den ganzen Tag den alten Gassenhauer „Graue Schläfen schützen nicht vor hübschen Beinen“ vor sich hin. Als wir uns vorgestellt wurden, murmelte er in seiner weichen, fremden Sprache: „Zylka? Oh, ich liebe slawisch klingende Nachnamen …“. Ich erzählte ihm von meinem beruflichen Werdegang, von meinen Hobbys Innenpolitik und Massage, und er nickte wohlwollend zu meinen Ausführungen. Dann fasste er mich plötzlich an den Händen, schaute mir bedeutungsvoll in die Augen und fragte gedehnt: „Was mir eigentlich am wichtigsten ist: Können Sie … mmmh … ich will mal sagen … Kopieren?“. Wie von der Tarantel gestochen zuckte ich zurück. Kopieren, was? Das hatte der Chef der Wort-Zeitung doch auch immer von mir gewollt! Enttäuschung übermannte mich. Ich schaute Präsident Billton fest an und sagte: „Dafür müssen Sie sich eine andere suchen. Bedaure!“. Dann packte ich meine Sachen und flog zurück. Ich glaube, die Stelle ist dann anderweitig besetzt worden.

Jenny Zylka kennen Sie als taz-Kolumnistin. Ihr Buch „1000 neue Dinge, die man bei Schwerelosigkeit tun kann“ gibt es als Rowohlt Taschenbuch