Verheimlichte Ehrenrettung

Gutachter wie Ulrich Wickert bescheinigen der Deutschen Welle eine saubere China-Berichterstattung. Trotzdem will der Auslandssender deren Ergebnisse nicht veröffentlichen. Warum, bleibt schleierhaft

Beide Gutachter mussten sich auf Übersetzungen stützen – ein Problem: Das Chinesische lässt viele Interpretationen zu

VON DANIEL BOUHS

Die Deutsche Welle tut alles, damit bloß nicht weiter über ihre chinesischen Angebote diskutiert wird. Und das, obwohl gleich zwei in den vergangenen Wochen in der Bonner Sendezentrale eingetroffene Gutachten für die Qualität der chinesischen Radioprogramme und Internetseiten der „Welle“ sprechen: Sowohl der ehemalige Korrespondent der FAZ, Karl Feldmeyer, als auch die ARD-Größe Ulrich Wickert haben dem Sender bescheinigt, sauber über das Reich der Mitte berichtet zu haben.

Im vergangenen Jahr entzündete sich rund um die Olympischen Spiele eine Art Hetzjagd auf die stellvertretende Leiterin der chinesischen Redaktion, Zhang Danhong. Die habe sich in Talkshows und Interviews für das chinesische Regime stark gemacht und Verletzungen der Menschenrechte zu Unrecht wegdiskutieren wollen, sagten Kritiker, darunter chinesische Dissidenten und einige Wissenschaftler. Sogar ein Ausschuss des Bundestags befasste sich mit dem Problem. Die Deutsche Welle wird nämlich nicht aus Rundfunkgebühren, sondern aus Steuern finanziert.

Wickert, dessen Vater einst Attaché der Bundesrepublik in China war, hatte daraufhin im Auftrag der „Welle“ begonnen, Teile des Angebots zu prüfen. Immerhin stand die Glaubwürdigkeit des Senders auf dem Spiel, der mittlerweile in 30 Sprachen funkt, um, so das Konzept, „die Werte und Perspektiven, für die Deutschland in der Welt steht“, in Regionen zu verbreiten, in denen sich keine Demokratien gefestigt haben – Ländern wie China eben.

Das Problem: Nur wenige Beobachter können sich einfach in das täglich zweieinhalb Stunden umfassende Radioprogramm einklinken, das per teure Kurzwelle nach China gefunkt werden muss, weil das Regime eine Lizenz verweigert. Angesichts der Sprachbarriere wird auch kaum ein Kritiker – von Dissidenten und einigen Sinologen abgesehen – in der Lage sein, die chinesischen Seiten zu analysieren. Sie sind derzeit übrigens in Peking, Schanghai und zwei weiteren Großstädten gesperrt.

Wickert schrieb dem Intendanten Erik Bettermann bereits Anfang Februar, er komme zu dem Urteil, „dass weder der chinesischen Redaktion noch Frau Zhang Danhong der Vorwurf tendenziöser Berichterstattung gemacht werden kann“. Auch Feldmeyer notierte, er halte die Vorwürfe für „unbegründet“. Beide stützten sich auf Übersetzungen, was in gewisser Weise ein Problem ist: Das Chinesische lässt einen großen Interpretationsspielraum zu.

Der Sender will die Gutachten jedenfalls nicht veröffentlichen. Warum, bleibt schleierhaft. Ein Sprecher sagte, die Debatte um die chinesischen Angebote der Deutschen Welle sei „nach der Prüfung durch den Rundfunkrat und den anschließenden Gutachten beendet“.

Seltsam mutet auch an, dass dieser Abschluss – immerhin zugunsten des Senders – noch nicht einmal per kurze Mitteilung verbreitet wurde. Erst ein Bericht der Süddeutschen Zeitung machte am Mittwoch die Sache öffentlich. Er ließ erahnen: Wickert muss mit der Tatsache unzufrieden sein, dass seine Arbeit quasi zur Verschlusssache deklariert wurde.

Intendant Bettermann hält an seiner Personalentscheidung fest, die er in der Debatte traf: Der ehemalige Leiter der China-Redaktion, Matthias von Hein, bleibt einer von vielen Redakteuren in der Programmredaktion. Das aber hatte auch nichts mit dem Vorwurf zu tun, sein Programm sei nicht objektiv. Vielmehr führte die in die Ecke gedrängte Mitarbeiterin Zhang im Herbst in einem Schutzreflex ein Interview mit sich selbst, in dem sie auf eine Kritikerin reagierte. Das war nicht nur unpassend, sondern auch zutiefst unjournalistisch.

Zhang setzte das Gespräch auf die Seiten der Deutschen Welle. Von Hein fiel das entweder nicht auf oder er ließ es einfach durchgehen, was viel schlimmer wäre. Jedenfalls erlaubte sich da eine Redakteurin eine große Dummheit. Und von Hein schlampte bei der Kontrolle – in einer Zeit, in der seine Redaktion ohnehin unter Beobachtung stand.

In der chinesischen Redaktion, in der 13 feste und 15 freie Mitarbeiter arbeiten, hoffen sie jetzt darauf, ohne neue Zwischenfälle arbeiten zu können. Derzeit arbeiten sie etwa an einem Ausbau ihrer Seiten zu den T-Reizthemen: Tibet, Taiwan und Tiananmen. Nach wie vor ohne neuen Chef: Bislang ist es dem Sender nicht gelungen, einen Kollegen aufzutreiben, der ausreichend Erfahrung hat, Deutsch wie Chinesisch fließend spricht und der gestiegenen Erwartungshaltung des Senders gerecht werden kann: damit Ruhe einkehrt.