„Destruktion ist wunderschön“

Warum der Kölner Kabarettist Wolfgang Nitschke schlechte Bücher liest, sich als das Maß aller Dinge sieht und nicht unbedingt politische, aber sicher radikale Botschaften sendet

taz: Was haben Sie als erstes gedacht, als Sie heute Morgen aufgewacht sind?

Wolfgang Nitschke: Ach, du Scheiße! Schon wieder ‘n neuer Tag! Hab‘ ich gedacht. Aber dann hab‘ ich mir Hotte Köhler zur Brust genommen: „Offen will ich sein und notfalls unbequem“. Da wusst‘ ich wieder: Andere sind noch viel schlimmer dran.

Sie lesen ziemlich viele schlechte Bücher? Warum tun Sie sich das an?

Per aspera ad astra, durch Mühsal zu den Sternen! Nein, Quatsch, ich gehöre ja zu der Spaßvogelfraktion, und die wirklich guten Späße findet man nun mal in den selbstgepinselten Werken unserer 1A-Klatschvisagen aus Politik, Kultur und Proktologie.

Ihr neues Programm heißt „Solo gegen den Rest“! Das klingt, als seien Sie das Maß der Dinge?

Ja, genau. Der Mensch ist das Maß aller Dinge! Und ich bin ja einer. Was man von von Figuren wie Hotte Köhler, Mutter Teresa und Uschi Glas ja nur bedingt sagen kann.

Dieter Bohlen und Boris Becker kommen ziemlich gut weg bei Ihnen. Ich bin enttäuscht.

Das tut mir leid. Aber wenn der Dieter Bohlen über Hartmut Engler, den schmierigsten aller Sozialschleimer und singenden Topterroristen, schreibt: „Ich hau dem gleich aufs Maul“, und das gleich vier mal hintereinander, dann ist das für mich hohe Literatur. Im Gegensatz zu Martin Walser oder Saddam Hussein.

Haben Sie eigentlich schon mal Anzeigen wegen Beleidigung bekommen? Schließlich nennen Sie den Dalai Lama den Fliegenschiss Gottes.

Nein, der „Fliegenschiss Gottes“ war Jürgen Fliege. Wie der Name schon sagt. Das Dalai Lama hab ich ganz anders rangenommen. Und die Anzeige wegen Volksverhetzung ist damals leider zurückgezogen worden; ich glaub‘ sogar von IHM selbst. Weil ich ja Recht hatte.

Ihre Programme sind weniger politisch als Ihre früheren Verlautbarungen. Wie kommt‘s?

Was heißt hier: weniger politisch? Im aktuellen Programm fehlt praktisch keiner der führenden obligaten Knalltüten, und wenn ich am Ende mit Guido Knopps Superdeutschen und Feng Shui auch noch das Volk ausmiste, bleibt unterm Strich null übrig. Wenn das nicht politisch ist, ist es zumindest radikal.

Das klingt, als hätten Sie eine Botschaft. Wie sieht die aus?

Botschaft ist gut! Andererseits: Botschaften sind immer gut! Und meine Botschaft heißt: 2 Stunden lang sich weggömmeln! Und zwar auf halbwegs intelligente Weise. Polemik und Satire heißt ja nicht, eine Alternative zum herrschenden Mumpitz aufzuzeigen. Kunst ist Destruktion. Und Destruktion ist schön. Es ist also ein schönes Programm.

Sie machen doch nur alles kaputt.

Ja, klar, sag‘ ich doch! Und dann sich drüber selbst kaputtlachen! Das kann sich bei mir übrigens jeder, der noch alle Tassen beisammen hat. Und unter uns: Solange es solche Galgenvögel wie Esser und Ackermann gibt und zwei Drittel der Menschheit im Elend lebt, hat Kunst sowieso keine andere Berechtigung.

Interview: Ingo Petz

Wolfgang Nitschke: Solo gegen den Rest, 8. Oktober in der Comedia, Löwengasse 7-9