Die Kameradschaft packt aus

Schon zum Prozessbeginn gegen die rechtsextreme „Kameradschaft Süd“ werden Organisation und Kampftechniken offen gelegt. Die Terrorismus-Verdächtigen verfügten über gute Kontakte zur NPD

AUS MÜNCHEN JÖRG SCHALLENBERG

Zu tun gab es immer etwas bei der „Kameradschaft Süd“: montags, mittwochs und donnerstags verschiedene Stammtische für die Kader, den Nachwuchs und die Frauen. Sonntags Wehrsportübungen im Wald bei München. Zwischendurch Schulungen, Demos, Aktionen, Kundgebungen oder mal ein Ausflug zum Rudolf-Heß-Gedenkmarsch nach Wunsiedel.

So schildert die 22-jährige Auszubildende Jessica Fasel den Alltag im Führungszirkel jener Neonazi-Gruppe, die im vergangenen Herbst aufflog, nachdem Waffen und 1,7 Kilo TNT bei Mitgliedern gefunden wurden. Die Neonazis wollten offenbar einen Anschlag auf das geplante neue jüdische Gemeindezentrum in Münchens Innenstadt verüben.

Gestern früh begann vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht der Prozess gegen Fasel und vier weitere Angehörige der „Kameradschaft Süd“, denen die Generalbundesanwaltschaft die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorwirft. Der Kopf der Gruppe, Martin Wiese, wird später vor Gericht gestellt.

Die Szenerie wirkt beim ersten Blick in den Gerichtssaal eigenartig: Rechts sitzen die Bundesanwälte in ihren gewichtigen weinroten Roben, links die Angeklagten, drei Frauen und zwei Männer, von denen vier zur Tatzeit zwischen 17 und 21 Jahre alt waren – und auch heute alles andere als erwachsen wirken. Die einzige Ausnahme bildet der 37-jährige breitschultrige Andreas Joachim aus Brandenburg, der bei der Beschaffung von Sprengstoff auf verschiedenen Truppenübungsplätzen mitgeholfen haben soll.

Welche Gefahr von der rechten Jungschar ausging, soll das Verfahren klären. Die Chancen stehen gut: Alle fünf Angeklagten wollen aussagen. Den Anfang machte Fasel – sie berichtete detailliert über Wehrsportübungen, bei denen Kampftechniken und Gefechte mit Soft-Air-Pistolen geübt wurden.

So etablierte Anführer Wiese laut Fasel eine „Schutzgruppe“, die zur Bewachung von Veranstaltungen rechter Organisationen eingesetzt wurde. Darüber hinaus bildete sich bei den streng konspirativen Treffen im Wald auch der Führungszirkel der „Kameradschaft Süd“ heraus. Der Zweck der Gruppe bestand laut Fasel darin, „versprengte Rechte einzusammeln“ und „zu einem großen Ganzen“ zusammenzufassen.

Zudem verfügten die Münchner Neonazis offenbar über beste Kontakte zu anderen rechtsextremen Organisationen in Bayern und Ostdeutschland sowie zu Zirkeln von Altnazis und zur bayerischen NPD, die politische Schulungen mit den Führungsmitgliedern der Kameradschaft abhielt. Auch der zur rechten Szene übergelaufene Ex-RAF-Terrorist Host Mahler soll auf einer Veranstaltung gesprochen haben.

Jessica Fasel, die „einen Schlussstrich“ unter ihre rechte Karriere gezogen haben will, belastete vor allem Martin Wiese schwer: So soll er den Einsatz scharfer Waffen angekündigt haben. Sein Ziel sei es gewesen, die Demokratie zu zerschlagen und „den NS-Staat 1:1“ zu übernehmen. Der Prozess findet angesichts der Terrorismus-Vorwürfe unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt; sämtliche Besucher müssen sich penibel durchsuchen lassen.