Tabaklobby fordert steuerfreieren Rauch

Die erhöhte Tabaksteuer schadet der Industrie, weiß die Lobby. Gesundheitspolitiker: Bald wird wieder mehr geraucht

BERLIN taz ■ Die Zigarettenindustrie fordert die Regierung erneut auf, die geplanten Erhöhungen der Tabaksteuer abzublasen. Der Chef des Verbands der Cigarettenindustrie, Gerrit de Bruin, warnte vor „unkalkulierbaren Risiken“ – wenn jede Zigarette zunächst im Dezember 2004 und dann im September 2005 um jeweils 1,2 Cent teurer würde.

Die Risiken sieht die Tabaklobby freilich nicht für die Raucher, sondern für sich selbst. Ihre Verluste seien greifbar: Im zweiten Quartal 2004 sei der Tabakabsatz um 20 Prozent eingebrochen, sagte de Bruin. 1.000 Arbeitsplätze seien gefährdet. Zudem meinen die Zigarettenhersteller, dass nicht der Konsum abgenommen, sondern der illegale Handel mit Zigaretten zugenommen habe. „Es kann nicht sein, dass wir durch politische Entscheidungen mafiöse und kriminelle Strukturen stärken“, schlug sich auch Gewerschafter Franz-Josef Möllenberg auf die Seite der Industrie. Möllenberg ist Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten.

„Wir dürfen jetzt nicht in Hektik geraten“, heißt es aus der Topetage des Finanzministeriums. Die zweite 1,2-Cent-Stufe stehe fest, ob die dritte im September durchgesetzt wird, sei später zu entscheiden.

„Wir müssen den Schmuggel durch stärkere Kontrollen der Zollbehörden in den Griff bekommen“, sagte Klaus Kirschner (SPD), Mitglied im Gesundheitsausschuss, zu den Vorwürfen der Industrie. Von den Zahlen dürfe man sich „nicht ins Bockshorn jagen“ lassen.

In einer gemeinsamen Studie mit dem TÜV stellte die Zigarettenindustrie fest, dass nicht nur der Schmuggel von Zigaretten zu ihren Verlusten führt: Auch die legalen Einfuhren aus Nachbarländern seien für Verluste verantwortlich. In den neuen Bundesländern seien 20 Prozent der Zigaretten nicht in Deutschland versteuert. Das Gesundheitsministerium ließ mitteilen, diese Zahlen seien „reine Spekulation“. Die Tabakindustrie schätzt, dass durch die Steuererhöhungen in diesem Jahr die Einnahmen nicht steigen, sondern „sogar unter dem Vorjahresniveau liegen“ würden. Für die Experten im Haushaltsausschuss ist eine schnelle Rücknahme der geplanten Erhöhungen jedoch keine Option. „Das würde zu noch mehr Steuerausfällen führen“, sagte Florian Pronold (SPD) der taz. Im Laufe der Zeit würden die finanziellen Ausfälle abnehmen. Seiner Meinung nach sind viele Raucher auf billigeren Tabak zum Selberdrehen umgestiegen. Die werden aber zur Zigarette zurückkehren, ist sich Pronold sicher. SASCHA TEGTMEIER