Große Restmengen

CSU-Chef Stoiber und DGB-Chef Sommer trafen sich, um ihre Schnittmengen zu demonstrieren. Viel war’s nicht

MÜNCHEN taz ■ Ein schönes Bild. Aber irgendwas war seltsam daran. Vom Betrachter aus gesehen stand der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber links auf dem Rednerpult und DGB-Chef Michael Sommer rechts daneben. Oder war es doch umgekehrt? Denn der Mann rechts betonte soeben, dass die CSU in Bayern eine „erfolgreiche Politik für die kleinen Leute“ mache – „und das muss man anerkennen“. Der Mann links dagegen hatte kurz zuvor gesagt: „Ich bin ein Anhänger des Flächentarifvertrages.“ Außerdem seien die Gewerkschaften als Arbeitnehmervertreter unverzichtbar.

Es muss wohl die ohnehin schon ungewohnte Konstellation einer gemeinsamen Pressekonferenz von CSU und DGB gewesen sein, die zusammen mit den denkwürdigen Zitaten beim Betrachter vorübergehende Verwirrung auslösen konnte. Dabei ging es eigentlich um ganz rationale Dinge, die Michael Sommer nüchtern und mathematisch beschrieb: Wie groß ist die Schnittmenge zwischen CSU und DGB – und was bleibt als Restmenge?

Edmund Stoiber, der zuvor betont hatte, dass die Schnittmenge nicht allzu groß sei, listete nach dem Treffen des CSU-Präsidiums mit dem DGB-Vorstand fleißig das Verbindende auf. Man ist sich einig, dass die Steuerreform auf 2004 vorgezogen werden müsse, lediglich über die Finanzierung gebe es leicht unterschiedliche Auffassungen. Doch die CSU werde, so Stoiber, das Vorziehen der Reform „nicht aus grundsätzlichen Erwägungen scheitern lassen“. Während diese Äußerung etwas verblüffte, weil sich Stoiber bisher eher als eisenharter Kämpfer gegen jegliche Neuverschuldung gab, waren die weiteren Punkte der Schnittmenge durchaus vorhersehbar.

Sowohl CSU als auch DGB sind für eine Unterstützung von Eltern, die nicht erst mit der Rente greift, sie sind gegen eine Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre und gegen Kopfpauschalen bei den Krankenversicherungen, die Edmund Stoiber getreu der neuen Unions-Sprachregelung nun brav „Gesundheitsprämien“ nennt. Außerdem treten beide Seiten für, so Sommer, „mehr fairen Wettbewerb“ im Gesundheitswesen ein und kündigten zur nächsten Stufe der Gesundheitsreform sogar ein gemeinsames Papier an.

Die Restmengen dagegen schimmerten vor allem bei Fragen zu betrieblichen Bündnissen und der gesetzlichen Regelung der Tarifautonomie durch – Stoibers Bekenntnis zum Flächentarifvertrag darf man bezweifeln. Fraglich bleibt nach diesem Treffen, wie ernst CSU und DGB ihre angekündigte weitere Zusammenarbeit nehmen. Viel Neues konnten sie nicht verkünden – und so darf man das demonstrative gemeinsame Auftreten als doppelte Drohung verstehen: Die CSU will sich weiter als das soziale Element innerhalb der Union profilieren, während der DGB insbesondere der SPD signalisiert, dass er nicht unbedingt auf sie angewiesen ist. Fortsetzung folgt. JÖRG SCHALLENBERG