Ein Fest für Sinti und Roma

Von asozial bis Avantgarde oszillieren die Vorurteile gegenüber Sinti und Roma. Ihre Geschichte in Deutschland ist eine Geschichte gewaltsamer Experimente der Ansiedlung und Assimilation

VON CHRISTINE KEILHOLZ

Von „ziehenden Gaunern“ ist wahrscheinlich der Begriff abgeleitet, unter dem Sinti und Roma seit Jahrhunderten zusammengefasst werden. Sie selbst reden von sich als Zigeunern, möchten aber nicht von Außenstehenden so genannt werden. Seit rund 600 Jahren leben sie in Deutschland. Dennoch werden sie noch immer als Fremde behandelt und vielfach nur als Kriminelle und Asoziale wahrgenommen.

Lagerfeuerromantik, virtuose Kunstfertigkeit, Freiheit unterm Sternenhimmel und mitreißende Musik bilden einerseits eine exotische Attraktion. Gleichzeitig glaubt man dieses Volk, das sich hartnäckig an seiner mobilen Lebensweise festklammert, noch längst nicht in der Moderne angekommen.

Um mit Vorurteilen, die um das fahrende Volk herum gesponnen wurden, aufzuräumen, treffen sich am Wochenende Vertreter dieser Minderheit in der Stadt. Das „Berliner Festival der europäischen Sinti und Roma“ ist einer Volksgruppe gewidmet, die auch in Deutschland nach wie vor mit Ignoranz und Diskriminierung zu kämpfen hat.

Verschiedenen Schätzungen zufolge sind heute zwischen 80.000 und 120.000 Sinti und Roma in der Bundesrepublik ansässig. Sie leben isoliert unter den aus Südeuropa, Spanien und der Türkei stammenden Gastarbeitern und sind bei Behörden als Spanier, Jugoslawen oder Türken registriert. Die Sprache der Roma ist das Romanes, dessen Ursprünge im Sanskrit liegen.

Die Roma, so die internationale Selbstbezeichnung, die auch die Sinti für sich verwenden, sind zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert aus Indien nach Europa gekommen – größtenteils unfreiwillig als Kriegsgefangene oder Sklaven. Sie verdingten sich als fahrende Händler, Wahrsager, Schausteller, Musiker und lebten meist isoliert in Sippenverbänden. Immer wieder gab es Versuche, die Fahrenden zu steuerzahlenden und beherrschbaren Bürgern zu machen. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden Gemeinden verpflichtet, die ansässigen „Zigeunerfamilien“ anzusiedeln. Solche Projekte scheiterten aber regelmäßig am Unwillen der Roma sowie der Einheimischen. Da man das Umherwandern als eine den Zigeunern eigene Unart verstand, wurden sogar Umerziehungsversuche unternommen. So wurden Roma-Kinder isoliert, um sie nicht an das Zigeunerleben zu gewöhnen.

Der deutsche Sprachgebrauch hat den Begriff Zigeuner gleich doppelt diskriminierend besetzt. Die Behauptung, sie seien arbeitsunwillig und asozial, wurde nach und nach ethnisiert. Faktisch wurde die Minderheit schon kurz nach ihrem Eintreffen im deutschen Sprachraum verfolgt und nicht erst mit Beginn der Nazi-Diktatur. Ihnen wurde ein Wandertrieb unterstellt, der sie für zivilisiertes Bürgerdasein disqualifiziere. Ungeachtet ihrer langen Tradition in Deutschland ist bis heute die Akzeptanz von Sinti und Roma in der Mehrheitsgesellschaft sehr gering.

Infos unter www.zigeuner.de