Wer Wahlen gewinnt, muss gönnen können

Zu Beginn der neuen Legislaturperiode halten sich die Parteien im Rheinisch Bergischen Kreis mittels „kleinerer Absprachen“ bei Laune. Beschlossen wurde, dass ein zusätzlicher Stellvertreterposten für den Landrat geschaffen wird

Bergisch Gladbach taz ■ Das Streiten scheint der Rheinisch-Bergischen Politikerseele fremd zu sein. Sogar nach einer Wahl hält man sich nicht auf mit den üblichen Scharmützeln. Lieber macht man sich zu Beginn der neuen Legislaturperiode gegenseitig kleine Geschenke. Das hebt die Stimmung in Kreistag und Stadtrat. Und geschadet haben Nettigkeiten noch keinem – das weiß man hier aus Erfahrung.

Klaus Orth, der gerade seinen Stuhl im Bürgermeisterzimmer von Bergisch Gladbach einsitzt, ist geübt in der Tugend des Nettseins. Und weil er noch dazu in Feierstimmung ist, bedenkt er die scheidende Bürgermeisterin Maria Theresia Opladen mit Worten des großzügigen Gewinners. Eine solche Niederlage habe die CDU-Politikerin nicht verdient. „Kinder und Wähler sind manchmal grausam“, fügt der SPD-Politiker hinzu.

Wenn Orth von den Dingen spricht, die er als Bürgermeister besser machen möchte, schleichen sich in seine Sätze oft Worte ein wie „das liegt nicht in unserer Hand“ oder „das ist eine Frage der Finanzierbarkeit“. Grundsätzlich spricht er sich aus für die Anbindung des Stadtzentrums an die A 4, eine Belebung des Einzelhandels, auch durch ein Einkaufszentrum. Allerdings, so Orth, stelle seine Partei keine Mehrheit im Rat. „Das wird nicht einfach, zu einer stabilen Mehrheitsbildung zu kommen.“

Vielleicht hilft den Mitgliedern des Rates der Stadt dabei ja eine Methode, die man in der großen Nachbarstadt Klüngel nennen würde. Im Rheinisch-Bergischen Kreistag spricht man von „kleineren Absprachen“. Hier macht man dem Stadtrat vor, wie sich Parteien bei Laune halten können und dabei trotzdem das für sich beste herausholen: Wenn nette Worte nicht ausreichen, schenkt man sich gegenseitig Posten.

Thomas Trier von den Grünen möchte niemandem etwas wegnehmen. Trotzdem findet seine Partei es angebracht, als drittstärkste Kraft einen der Stellvertreterposten für den Landrat besetzen zu dürfen. Bisher gab es drei Stellvertreter, die repräsentative Aufgaben des Landrates übernahmen, wenn dieser verhindert war. Einen übernahm die CDU, einen die SPD, den dritten die FDP. Damit keiner leer ausgeht, haben alle vier großen Parteien in einem Listenbündnis beschlossen, dass ein vierter Stellvertreterposten geschaffen wird. Thomas Trier wird ihn bekommen und zufrieden sein. „Als Stellvertreter habe ich automatisch einen Sitz im Ältestenrat und kann mehr umsetzen.“

Die CDU stimmt dem Bündnis nicht ganz uneigennützig zu. Gibt es doch nach Auskunft Triers „kleinere Absprachen“, die der stärksten Fraktion im Kreistag im Gegenzug die Mehrheit im Gremium des Krankenhauses in Wermelskirchen sowie in der Rheinisch-Bergischen Siedlungsgesellschaft zusichern.

Bei Gerhard Zorn von der SPD mischt sich indes eine Spur von Zerknirschtheit in die rheinisch-bergische Tugend des gegenseitigen Gönnen-Könnens. Ist es doch seine Partei, die durch die Absprachen zwischen CDU und Grünen bei der Spielerei um die Aufsichtsratsposten in den Gremien benachteiligt wird. Dem Listenbündnis trat die SPD trotzdem bei. „Schließlich wollen wir sicherstellen, dass wir den Posten des zweiten stellvertretenden Landrats behalten“, sagt Zorn. Denn, so hört man aus internen SPD-Kreisen, könne leicht ins Hintertreffen geraten, wer zu Beginn der Legislaturperiode nicht mitmacht beim großen Fest der Freundlichkeiten. Querschlägern könnten so einige Posten durch die Lappen gehen.

Fast könnte man sich freuen über die Nettigkeiten im Kreistag. Wäre da nicht die Tatsache, dass der Steuerzahler die gute Stimmung zwischen den Parteien in der kommenden Legislaturperiode mit zusätzlichen 3.600 Euro jährlich finanzieren muss. Soviel kostet der vierte stellvertretende Landrat nämlich an Aufwandsentschädigung. Für einen Aufwand, der praktisch nicht vorhanden sein wird.

Thomas Trier gibt selbst zu, dass „nicht allzu viele Termine“ für ihn übrig bleiben werden. Schließlich müssten, um Triers Einsatz nötig werden zu lassen, ein Landrat und drei Stellvertreter ausfallen. „Für den Bürger ist der vierte Vertreter wohl nicht notwendig“, sagt er dann auch. Trotzdem will er das Listenbündnis nicht als Megakoalition zur Verschwendung von Steuergeldern verstanden wissen. „Vernünftige Politik hat eben ihren Preis.“ Claudia Lehnen