Scherf wird umarmt

Der Regierungschef wurde gestern 65 und alle durften an diesem Tag in der Oberen Rathaushalle mit dabei sein. Auch die taz

Bremen taz ■ Die Dame ist ein echter Fan. Ein Hardcore-Henning-Fan, sonst wäre sie nicht extra angereist aus Bremerhaven, um bei Bürgermeisters 65. Geburtstagsfeier in der Oberen Rathaus-Halle mit dabei zu sein. Für Gisela Gerhardt (54) ist es eine Selbstverständlichkeit, die Einladung des als volksnah geltenden Häuptlings anzunehmen und mit den anderen Scherf-Verehrern auf ihre Umarmung zu warten. Sogar Kinder wurden aus ihren Tagesstätten in die Rathaushalle verfrachtet, wo sie „dem Langen“ – wie Scherf sich gerne selbst nennt – ein Ständchen zu bringen.

Brechend voll ist der Saal dann aber doch nicht, und so findet die Bremerhavener Henning-Schwärmerin noch Platz direkt vor dem Stehpult, wo sie auf ein gemeinsames Foto mit dem Jubilar hofft. Doch vorher muss der zweite Bürgermeister Hartmut Perschau (CDU) noch ein Loblied auf das dienstälteste Regierungsmitglied der Republik singen, darauf, wie schön es ist, dass sie sich so prima verstehen, wo doch der eine CDU und Ex-Soldat ist – und der andere SPD und Ex-Kriegsdienstverweigerer. „Es ist jetzt nicht die beste Zeit für parteipolitische Polarisierung“, gibt Perschau wohl weniger Scherf als dessen zur Gratulation angetretenen Partei-Genossen mit auf den Weg. Mit wegen einer Stimmbandentzündung krächzender Stimme gratuliert der Senator nicht nur zum Geburtstag, sondern auch dazu, dass Scherf nicht mehr so links ist wie früher und dass die CDU ihn jetzt viel lieber hat.

Auch Gisela Gerhardt findet nur Gutes an ihrem Henning, dessen Werdegang vom SPD-Linken zum Großkoalitionär sie „die ganzen Jahre verfolgt hat“ und dessen „Lebenseinstellung“ sie so bewundert. „Er ist so ein feiner Kerl“, findet sie und glaubt, dass Scherf nicht nur ordentlich austeilen, sondern auch einstecken kann. Diese Fähigkeit unter Beweis zu stellen – dazu gibt es an diesem Tag allerdings keine Gelegenheit, denn niemand will was Böses sagen, kein Zwischenrufer stört das Henning-Fest, wirft gar Tomaten oder kleine rostige Space-Shuttles. Und Bremens erster Fahrradfahrer, Leuteumarmer, Heißwassertrinker gibt die warmen Worte zurück. „Pudelwohl fühle ich mich mit Ihnen, pudelwohl“, lässt er seine Untertanen und Mitregierer wissen. Na denn Prost. Eiken Bruhn