Luxemburgs Staatsfeind Nummer eins

Der abgeschobene Tunesier Mohamed Kalifi soll angeblich Terroranschläge auf EU-Einrichtungen geplant haben

Er gilt als Luxemburgs Staatsfeind Nummer eins: Mohamed Kalifi alias Taoufik Salimi. Der aus Sidi Bouzid stammende Tunesier, der bis zu seiner Abschiebung im letzten Jahr mit seiner bosnischen Frau und seinen drei Töchtern in Luxemburg lebte, soll Attentate auf EU-Institutionen geplant haben. Kalifi gilt als Kopf einer Islamistengruppe und war Mitglied der „Association des musulmans du Luxembourg“ (AML). Deren Räume sowie Wohnungen von Personen aus dem AML-Umfeld wurden vergangenes Jahr von der Polizei zweimal durchsucht. Dabei wurden Aufrufe zum Dschihad, eine Anleitung zum Bombenbau und ein Videofilm gefunden. Darin sind verschiedene Gebäude in Luxemburg zu sehen, darunter die beiden Türme des EU-Parlaments.

Luxemburgs Regierung glaubt deshalb, dass Kalifi ein Terrorist ist und der Film Ziele für Anschläge auf EU-Einrichtungen zeigt. „Seien Sie froh, dass er nicht mehr zu Lande ist“, hatte Premierminister Juncker nach den Durchsuchungen im April 2003 der Presse gesagt. Die Razzien waren von Menschenrechtsgruppen scharf kritisiert worden, weil dabei auch Frauen und Kinder verletzt wurden.

Kalifi wurde kurz darauf mit seiner Familie nach Tunis abgeschoben – obwohl ihm dort Folter drohte und die Abschiebung damit gegen internationales Recht verstieß. Der Mann sei zu gefährlich, begründete die Regierung ihr Vorgehen. Kalifi gehöre in Tunesien zur verbotenen islamistischen Al-Nahda-Bewegung und werde dort von der Polizei gesucht.

Präzise Informationen über eine konkrete terroristische Gefährdung gab es damals aber nicht. Premier Juncker, zugleich Chef des Geheimdienstes, berief sich auf das Staatsgeheimnis.

In Tunis wurde Kalifis Familie kurzerhand in ein Hotel gekarrt. Er selbst kam ins Gefängnis und wurde wochenlang gefoltert. Nach Aussagen seiner Anwältin in Tunis und der tunesischen Liga für Menschenrechte hängten ihn Wärter mit Handschellen gefesselt an die Decke, schlugen ihn am ganzen Körper und im Genitalbereich. Die dortigen Behörden werfen ihm Verbindungen zu ausländischen Terroristen vor. Ein Verfahren wurde aber noch nicht eröffnet.

Als die Folter bekannt wurde, schaltete sich auch Luxemburgs Menschenrechtskommission ein. In einem Bericht verurteilte sie das Vorgehen der eigenen Regierung und deren miserable Informationspolitik. Kalifis Anwalt in Luxemburg, Edmond Dauphin, hatte erst über die Medien vom Terrorverdacht gegen seinen Mandanten erfahren. „Ich habe bisher nichts gesehen, was auf Terrorpläne schließen lässt“, wundert er sich.

Auch andere haben Zweifel an Kalifis angeblichen Terrorplänen. „Seine Ideen gefielen mir nicht“, sagt ein muslimischer Bekannter Kalifis. Der habe „strenge Ansichten“ gehabt, was das Zinsverbot und das Verhältnis zwischen den Geschlechtern angeht. Aber das seien Diskussionen über Moral gewesen, nicht über Politik. INES KURSCHAT