Kampf ohne Sieger und Verlierer

Die Capoeira-Schule „Porto de Minas“ feiert in einer Ehrenfelder Sporthalle „Batizado“: Neue Schüler werden aufgenommen, ältere erhalten einen neuen Gurt. Der brasilianische Kampftanz ist Trend

Von Annette
von Czarnowski

„Panda“ und „Jambo“ sind zum dritten Mal dabei. Gemeinsam mit 60 SchülerInnen der Kölner Capoeira-Schule „Porto de Minas“ bewegen sie sich im schaukelnden Grundschritt, der „ginga“, im Rhythmus der Musik durch die Sporthalle in Ehrenfeld. Immer wieder ruft Trainer Mestre „Marretta“ Luiz Carlos Afonso die Gruppe zusammen und zeigt Tritte, Ausweichbewegungen und Techniken wie Handstand oder Radschlagen.

Im bürgerlichen Leben heißen „Panda“ und „Jambo“ Uta und Fanny. Beide sind 26 Jahre alt und arbeiten als Projektmanagerin und im Marketing einer Kaufhauskette. Ihr Sport, der aussieht wie eine Kombination aus Karate, Ballett und Bodenturnen, ist der brasilianische Kampftanz „Capoeira“. Das Ereignis, dem beide an diesem Samstag entgegen fiebern, ist das „Batizado“ genannte Fest am nächsten Tag.

„Altgediente“ SchülerInnen erhalten beim Batizado, wenn sie das nächsthöhere Niveau erreichen, ihre neue „corda“, einen farbigen Gürtel, der ihr Niveau anzeigt. Neue Schüler werden offiziell aufgenommen und bekommen ihren „Zweitnamen“.

Capoeira, ursprünglich eine Selbstverteidigungstechnik brasilianischer Sklaven (siehe Kasten), hat sich seit Beginn der 90er Jahre in Europa vom Exoten- zum Trendsport nicht nur für Deutschbrasilianer entwickelt. „Von 100 Schülern unserer Schule sind etwa zwei Brasilianer“, berichten Margit Wolf und Yusuf Mete von „Porto de Minas“, der ersten Kölner Capoeira-Schule, die 1991 gegründet wurde.

Deutsch-brasilianische Paare schicken ihre Kinder zum Capoeira, um den Kontakt zur brasilianischen Kultur zu halten. Der „typische“ deutsche Capoeirista ist zwischen 20 und Anfang 30, sportlich, und beruflich etabliert. Uta und Fanny schätzen am Capoeira die „Ganzheitlichkeit“ von Musik, Gesang, Tanz und Sport, das Körpergefühl und die schönen Bewegungen.

Die Trainer kommen überwiegend aus Brasilien. Häufig haben deutsche Capoeira-Schulen ihre „Mutterschule“ in Brasilien, aus der sie ihre Trainer einfliegen. Noch ist dies auch für Schulen auf Vereinsbasis wie Porto de Minas, die keinen Gewinn machen, bezahlbar. „Ein Trainer aus Brasilien kostet uns ohne Flug etwa 1.000 Euro im Monat für Honorar, Unterkunft, Verpflegung und Versicherung“, rechnet Margit Wolf vor. Der brasilianische Durchschnittslohn beträgt 60 bis 80 Euro, entsprechend attraktiv sind Lehraufträge in Europa für brasilianische Capoeiristas.

Am Sonntag ist es soweit, das Batizado beginnt. Mestre Negoativo und Mestre Niltinho, Lehrer an der brasilianischen Mutterschule „Porto de Minas“, rufen Schüler und Lehrer zusammen. Alle bilden die „Roda“, einen Kreis, in dem sich zwei einen Kampf liefern. Die „Prüflinge“, die ihren neuen Gurt in Empfang nehmen, müssen mit einem der „mestres“ in die Runde. Dabei fegen auch Sechsjährige mit den Mestres zum schnarrenden Geräusch der „Berimbaos“ genannten Musikinstrumente durch die Halle, um – vorsichtig – ausgehoben oder per Fußangel „hingelegt“ zu werden. Dies ist Teil des Aufnahmerituals.

Der Stolz über die bestandene Herausforderung steht den Kindern ins Gesicht geschrieben. Auch Uta und Fanny nehmen ihre neuen „Cordas“ in Empfang. „Dafür habe ich das ganze Jahr gerackert“, resümiert Uta zufrieden. Zwischendurch liefern sich die Mestres Zweikämpfe mit halsbrecherischen Saltos und Überschlägen.

Von einem „Kampf“ mit Sieger und Verlierer will Yusuf Mete jedoch nichts wissen: „Capoeira ist so facettenreich, dass eine Bewertung nach Punkten unmöglich ist. Dominanz und schöne Bewegungen zählen.“